Urlaub mit Textbegleitung

Literatursalon Sonnenburg.
Literatursalon Sonnenburg.C.Andorfer, V. Emotiv
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In Österreich mehren sich die Häuser, in denen Bücher nicht bloß Dekoration sind. Hotelbibliotheken, Lesungen, Writers in Residence – ausgesuchte Literatur wird zum Leitmotiv.

Hotelbibliotheken erleben ein Revival, dienen wieder als Symbol und Ort der Entschleunigung. Einige Hoteliers schaffen in Lobbys und öffentlichen Bereichen Platz für Bücherwände und gemütliche Sitzgelegenheiten. Einige internationale Häuser haben sogar damit begonnen, Leseräume und Bibliotheken exklusiv für Gäste zugänglich zu machen – als Vorteil gegenüber Teleworkern, Bloggern und anderen Lobbysitzern, die nur als Besucher die Atmosphäre genießen.

Texte auf dem Kopfpolster

Zugleich gibt es in Österreich Häuser, in denen Literatur und Raum zum Lesen seit jeher Herzensanliegen sind – nicht nur im Sinne von Quadratmetern. „Wenn man meine Frau (Susi, Anm.) fragt, was man bei uns machen kann, sagt sie immer: ,Nichts‘“, erzählt Sepp Schellhorn, Inhaber des Seehofs in Goldegg. Wobei die Versuchung, sich wirklich nur dem süßen Nichtstun hinzugeben, in Anbetracht der literarischen Anregungen im Seehof für die meisten Gäste wohl gering ist: Rund 30.000 Bücher finden sich in allen Zimmern des Hauses und im Blauen Salon, darunter alle Neuerscheinungen aus dem Suhrkamp-Verlag, mit dem ein langes Naheverhältnis gepflegt wird. Es habe ihn immer gestört, „in Hotels eine verlorene Bibliothek zurückgelassener Bücher zu sehen“, erinnert sich Schellhorn. „Ich war schon vor 20 Jahren Thomas-Bernhard-Fanatiker und bin darüber mit Raimund Fellinger (Cheflektor des Suhrkamp- und Insel-Verlags, Anm.) in Kontakt gekommen.“ Woraus eine intensive Zusammenarbeit wurde: Heute findet sich im Seehof eine Suhrkamp-Sammlung, die mit jeder neuen Erstausgabe wächst. Zudem bringt Fellinger bis heute seine Expertise ein. „Wir legen auch bei Details Wert darauf, uns in Sachen Sinnstiftung zu positionieren. Etwa, indem wir statt einer Mozartkugel abends einen Text auf den Kopfpolster legen“, berichtet der Hotelier. Und diese Texte dürfen fallweise schwere Kost sein. „Auch da haben wir eine Beratung durch Fellinger“, so Schellhorn, „es regt ja den Diskurs an, wenn man darüber diskutiert, warum da gestern so ein depressiver Text hingelegt wurde.“ Diskurs ist im Hause Schellhorn grundsätzlich erwünscht und wird seit 2011 durch ein Stipendium weiter angeregt. Dieses ermöglicht viermal im Jahr einem Künstler oder einer Künstlerin, für zwei Monate in einem Atelier des Seehofs zu wohnen. Was für die Hotelgäste die angenehme Nebenwirkung von interessanten Gesprächen im Blauen Salon oder an der Bar mit sich bringt.

Erlesenes Erlebnis

Auch in der Sonnenburg in Oberlech ist Literatur ein zentrales Thema. „Wir haben uns vor einigen Jahren gefragt: ,Was kann ein Hotel besonders machen und was fehlt in der Welt?‘“, berichtet Geschäftsführer Gregor Hoch. Die Antwort haben der Hotelier und seine Frau, Waltraud, eine Germanistin, schnell gefunden: Es wird zu wenig gelesen. Das sollte sich, zumindest in ihrem Hotel, ändern. Schließlich sei Literatur ohnehin immer ein wesentliches Urlaubserlebnis gewesen, am Strand lese fast jeder, der nicht gerade im Wasser sei. Und mit Unterstützung sollte dieses Urlaubsverhalten dann auch am Arlberg angeregt werden, weshalb im Sonnenburg nicht nur mehrere Bibliotheken samt gemütlichen Sesseln einladen, sondern die Bücher direkt zu den Gästen gebracht wurden.

Bücherkisten als Anregung

„Wir sind dann noch einen Schritt weitergegangen und haben in alle Zimmer Bücherkisten gestellt“, berichtet Hoch. Wobei diese nicht speziell für den Gast zusammengestellt werden, sondern als Anregung für Neues verstanden werden sollen: „Denn was man selbst mag, hat man in der Regel auch selbst dabei“, so der Hotelier. „Das ist wie beim Wein: Wenn sie schon wissen, welchen Wein sie wollen, brauchen sie keinen Sommelier.“ Literarische Vorschläge aller Art finden sich in vielen Bereichen des Hauses und oft thematisch sortiert. „Etwa im Wellnessbereich Bücher, die mit Wasser zu tun haben“, berichtet Hoch. Auch ins Interior Design ist Wissensvermittlung integriert. „Einige unserer Tapeten sind mit Blumen bedruckt, die hier in der Gegend wachsen, oder mit Tieren, die hier im Wasser leben. Über einen QR-Code kann man mehr darüber erfahren.“

Neben der stillen Beschäftigung mit der Literatur hat sich die Sonnenburg (genau wie der Seehof mit dem jährlichen Thomas-Bernhard-Fest) mit Literaturevents einen Namen gemacht. „20 bis 25 Veranstaltungen im Jahr, die wir auch an die Gäste anpassen, die zu der jeweiligen Zeit bei uns sind“, erzählt Hoch. Diese können sich während der Schulferien durchaus an ein jüngeres Publikum richten: „Erst kürzlich hatten wir Tommy Krappweis als Vertreter der Jugendliteratur bei uns; oder wir laden während der Ferien in Großbritannien Autoren wie John Wray zu uns ein“, nennt Hoch prominente Autoren, die beim Literatursalon in der Sonnenburg zu Gast waren. Zu anderen Zeiten stehen philosophische Gedankensprünge auf dem Programm oder Bilderbücher. Das Thema Comics wolle man ebenso anpacken.

Lokale Literatur

Etwas lokaler wird Literatur dagegen im Klagenfurter Sandwirth angegangen: „Wir haben ja einige namhafte Schriftsteller in der Stadt, daher spielen Bücher bei uns eine sehr große Rolle“, berichtet Geschäftsführerin Helvig Kanduth. Das wird in dem geschichtsträchtigen Haus in unterschiedlichen Räumen gelebt: „So haben wir einerseits in unserem Caféhaus eine Literaturlounge, in der man unkompliziert schmökern kann“, erklärt sie. „Hier findet sich alles, was Kärnten-Bezug hat, schließlich sind wir ja auch in der Pernhartgasse“, verweist sie auf die Lage ihres Hauses. Und dann findet sich im 300 Meter entfernten Palais Musil, das vom Sandwirth mitbewirtschaftet wird, eine eigene „Bibliothekssuite“. Dort lädt der große Wohnbereich samt schweren Ledercouches und einer gut bestückten Bibliothek dazu ein, in aller Ruhe zu lesen. Ein Luxus, den einige sich explizit als Urlaubserlebnis gönnen, erzählt Kanduth: „Die Bibliothekssuite wird von einigen ganz bewusst gebucht.“ Anderen passe sie einfach wegen der Größe gut. Aber auch dann sorgen Bücher für besondere Atmosphäre, die fast jeder spürt, ob er nun zum Lesen kommt oder nicht. (sma)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2019)

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