Griechenland: Der Duft von Myrrhe

Ostern, wie es in Griechenland zelebriert wird: Karfreitagsprozession (hier in Aspro Chorio auf Paros).
Ostern, wie es in Griechenland zelebriert wird: Karfreitagsprozession (hier in Aspro Chorio auf Paros).Tom Busch
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Nichts ist in Hellas so heilig wie die Karwoche mit dem Osterfest! Dieses Jahr wird der orthodoxe Ostersonntag am 28. April begangen – mit Festen in Stadt und Land und auf den Inseln.

Leise siedet das Wasser im Topf. Ein paar Minuten noch, dann sollten die Eier die Farbe angenommen haben. Andromachi schiebt die Schalenreste zusammen und legt die übrigen Roten Rüben zurück in den Korb. Schließlich hebt sie den Topf vom Herd. Die Eier sind blutrot.

Auch in Griechenland gibt es keine Ostern ohne Eier – solange sie nur rot sind. Denn die tiefroten sind etwas Besonderes: Sie sollen das Blut Christi symbolisieren, aber auch die große Freude ob der Auferstehung. Ostern gilt als das wichtigste Fest des Jahres. Selbst Weihnachten ist im orthodoxen Griechenland nicht so wichtig wie die Karwoche. Etwa 97 Prozent der Bevölkerung sind orthodox. Und da die Ostkirchen am julianischen Kalender festgehalten haben, kann der griechische Ostertermin bis zu fünf Wochen vom Datum der lateinischen Kirche abweichen. In diesem Jahr begehen die Orthodoxen Ostern eine Woche später.

Wenn die Große Karwoche beginnt, gibt es kein Musizieren in der Öffentlichkeit und auch Namenstagsfeiern werden auf später verschoben. Dafür rezitieren jeden Abend in Abertausenden Kirchen Griechenlands die Priester Psalme der Auferstehung. Am Großen Dienstag etwa, dem Megali Triti, wird in der Kirche das Τropário tis Kassianís erzählt, die Geschichte einer jungen Frau, die sich verliebt, ihren Körper verkauft und dann einem Kloster beitritt, um Gott zu dienen. Am Großen Mittwoch bekommen die Kirchgänger in der Messe etwas Watte, die sie in Öl tauchen, um ihre Stirn zu bekreuzigen – als Vorbereitung für den Gründonnerstag.

Kreuzigung im Kerzenschein

Andromachi legt die roten Eier zum Trocknen auf ein Tuch. „Der Gründonnerstag Μegali Pempti leitet die finalen Tage der Osterwoche ein“, erzählt sie von den Gebräuchen auch auf ihrer Insel, auf Paros. Am Abend werden in der Messe die zwölf Evangelien vorgetragen. Nach dem sechsten Evangelium wird das Licht in der Kirche abgedunkelt. Bei Kerzenschein verfolgen die Menschen die Nachstellung der Kreuzigung, bevor der Pope mit den letzten sechs Evangelien fortführt. Wenn er endet, ist es schon spätnachts, doch die Menschen gehen noch nicht heim.

Auch hier, in einer kleinen Kirche an der Ostküste von Paros, kommen gegen Mitternacht noch etliche mehr aus dem ganzen Dorf zusammen, um den Epitaph zu schmücken. Der hölzerne Altar soll das Epitaphios tragen, das das Grabtuch Christi symbolisiert. Schachteln werden gebracht – mit frischen Blumen aus Athen! Im weißen Seidenpapier liegen weiße und rosa Orchideenzweige. Jede einzelne Blüte wird nun vorsichtig mit einer Stecknadel auf einem Styroporkranz befestigt. Blüte für Blüte entstehen über Stunden drei Orchideenkränze für den Altar. Gegen zwei Uhr morgens ist der Epitaph fertig geschmückt, und der Morgen des Karfreitags bricht an.

Am Megali Paraskevi finden im ganzen Land Prozessionen statt. Auch in Athen füllen sich überall die Kirchen, im Plakaviertel die Agia Aikaterini nahe dem Lysikrates-Monument, die Agios Georgios Karytsis auf dem Karytsi-Platz nahe der Stadiou oder die Kapnikarea-Kirche, die Kreuzkuppelkirche aus dem elften Jahrhundert, die fast jeder kennt, der schon einmal auf der Einkaufsstraße Ermou unterwegs war. Auf Paros ist die Panagia Ekatontapyliani für ihren besonders würdevollen Karfreitagsgottesdienst bekannt: Die Hunderttorige gilt als eine der wichtigsten Kirchen Griechenlands.

Lebendbilder, Lammgericht

Doch es sind vor allem die Prozessionen auf dem Land, zu denen die Menschen von weither pilgern: Zur Prozession nach Paros reisen die Menschen sogar mit Bussen an. Die Bewohner von Marpisa stellen die einzelnen Stationen des Leidenswegs in Lebendbildern dar, zeigen die Verurteilung von Jesus bis zur Kreuzigung. Der durch die Gassen von Marpisa getragene Epitaph wird von mehr als tausend Menschen begleitet, die über Olivenzweige schreiten. Ein Geheimtipp ist der Prozessionsweg von Aspro Chorio. Der Weg führt entlang von jahrhundertealten Feldmauern durch die Nacht, und Fackelschein erhellt die Kreuzwegstationen, die stimmungsvoll inmitten der hügeligen Felder eingebettet liegen. Der Duft von Myrrhe liegt über Aspro Chorio, dem Weißen Dorf auf Paros.

Dann kommt der große Moment: Am Samstagabend, dem Megalo Savvato, warten die festlich gekleideten Menschen mit einer geschmückten Kerze in der Hand darauf, dass der Priester am Ende der Zeremonie das Licht an sie weitergibt. Um Mitternacht erklingt endlich der Psalm Christós anésti, Jesus ist auferstanden. Glocken läuten im ganzen Land, Feuerwerke erhellen den Himmel und alle umarmen und beglückwünschen sich. Zurück zu Hause, weit nach Mitternacht, steht bei vielen nun die Ostersuppe Magirítsa mit Innereien vom Lamm auf dem Tisch – nach der mehrwöchigen Fastenzeit das erste Fleischgericht.

Und dann beginnt erst richtig die Schlemmerei! Am Ostersonntag wird das Fest im ganzen Land gefeiert. Im Dorf Marpisa veranstaltet die Gemeinde ein kostenfreies Fest für alle unter freiem Himmel, mit Wein und Gegrilltem, Musik und Tanz. Auch Andromachi und Panos' Familie laden zum Grillfest mit Freunden, Nachbarn und Verwandten. Während Panos die Fleischzubereitung auf dem großen Grill überwacht, Sohn Giannis köstlichen Moraitico-Wein ausschenkt, empfängt Andromachi die Gäste: Schnell füllen sich die Tische auf der Terrasse mit fünfzig, sechzig und mehr Menschen, und alle umarmen und wünschen sich das Beste: Kali Anastasi und Chrónia pollá, ein gutes und langes Leben.

Man bringt Süßigkeiten oder Tsoureki mit, den berühmten Osterhefezopf, selbst gebacken oder gar von der bekannten Patisserie Terkenlis aus Thessaloniki, die die besten Hefezöpfe haben soll. Dann wird aufgetischt: Lammfleisch und Kokoretsi vom Spieß, schüsselweise Salate, frisches Brot und Bergkäse. Musik erklingt vor dem Haus bis weit über den goldfarbenen Strand hinweg. Nun hat Andromachi auch ihre roten Eier verteilt, und gleich geht es los: Man schlage die Eier aneinander, erklärt Panos den Tsougrisma-Brauch. Das Ei, das unversehrt bleibt, wird seinem Besitzer Glück bringen, so heißt es.

OSTERN – PÁSCHA – IN GRIECHENLAND

Ostertouren Athen: Z.B. Amphitrion bietet Touren für Individualreisende und Gruppen auch zum griechischen Osterfest. Führender Anbieter von Touren und Transfers mit Taxis, Limousinen oder Minibussen seit 45 Jahren. Fahrer sehr pünktlich, zuvorkommend, mehrsprachig. www.amphitriongroup.com

Übernachten: Sofitel Athens: direkt am Athener Flughafen, nahe zu den Expressbussen in Richtung Syntagma-Platz und Piräus, zu U-Bahn und Regionalbahn. Neu: E-Check-in 48 Stunden vor Ankunft. Fast-Check-out: Zimmerschlüssel abgeben und gehen, Rechnung kommt per Mail. Modernisiert. Neu: Luxury Rooms, Luxury Club Rooms und Club Suites auf der fünften und siebten Etage. Modernisiertes Restaurant Mesoghaia, rund um die Uhr geöffnet. www.sofitel.com/de/hotel-3167-sofitel-athens-airport

Ostern auf den Inseln: Inselhüpfen mit Sky Express (stark wachsende, moderne Regionalfluglinie) zu 32 Inseln. Tickets ab 40 Euro. Passagiere erhalten automatisch kostenfreien Zugang zu Sky Executive Lounge und zur Fast Lane auf den Flughäfen Athen und Heraklion. www.skyexpress.gr

Buchtipp: Ostern (Páscha), Mariä Himmelfahrt und Neujahr sind Fixpunkte des Jahres und Thema in „Ärmellos in Griechenland“. Verlag der Griechenland-Zeitung, Athen, 2017, 19,80 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2019)

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