Eier und Skulpturen am Neusiedler See

Eines der Schmuckstücke im Wander-Bertoni-Freilichtmuseum, Gritschmühle 1 in Winden am Neusiedler See: Das Eiermuseum und das Areal sind ganzjährig zu besichtigen.
Eines der Schmuckstücke im Wander-Bertoni-Freilichtmuseum, Gritschmühle 1 in Winden am Neusiedler See: Das Eiermuseum und das Areal sind ganzjährig zu besichtigen.Dimo Dimov
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In Winden am Neusiedler See befindet sich der Wohn- und Arbeitssitz des Bildhauers Wander Bertoni. Auf dem Grundstück stehen rund 500 Skulpturen. Ein Highlight ist das Eiermuseum in einem beachtenswerten Gebäude.

Goethe räsonierte einst: „War die Henne zuerst? Oder war das Ei vor der Henne? Wer dies Rätsel erlöst, schlichtet den Streit um den Gott.“ In diesen Streit wollen wir nicht einsteigen. Aber so viel kann gesagt werden: Das Ei ist nahe dem Ursprung, es ist Symbol für Fruchtbarkeit und Leben. Seine Form gilt Künstlern als perfekt, ohne Brüche und Kanten, voll von Kraft.

Der große Bildhauer Wander Bertoni hat diese Naturform ganz am Anfang seiner künstlerischen Karriere für sich entdeckt. „Wenn man eine Kugel in ihrer absoluten, geometrischen Form zusammendrückt, entsteht in der Deformation die Gestalt eines Eies. Aus der absoluten Ruhe sind so Bewegung und Ausdruck entstanden, das erste Lebenszeichen in der abstrakten Formenwelt der Geometrie“, so Bertoni. Bereits in den 1950ern hat er begonnen, Eier aus verschiedenen Kulturen und Kunstbereichen zu sammeln. Heute umfasst die von seiner Frau, Waltraud, kuratierte Sammlung rund 4000 Objekte. Sie stammen aus der Natur, von Flohmärkten und Reisen. Welches das erste Ei in der Sammlung war, sei nicht mehr zu rekonstruieren, erzählt Waltraud Bertoni.

Sammlung von 4000 Eiern

Die Liebe von Wander Bertoni zum Burgenland ist ein Glücksfall für die Seeregion, gemeinsam mit Waltraud hat er in Winden ein Paradies geschaffen (siehe Immobilienteil, Seite I1). Viele Großplastiken verteilen sich über das Areal. Sie sind ganzjährig für die Öffentlichkeit zu besichtigen. Außerhalb des Grundstücks gibt es eine Wander-Bertoni-Straße. Dort, sagt Frau Bertoni lachend, werden immer wieder Poststücke angeliefert. Auch mancher potenzielle Besucher irrt herum, bis sich ein Einheimischer erbarmt und ihm den rechten Weg weist. Stolz sind die Bertonis aber schon auf den Straßennamen. „In Wien kriegst so etwas erst, wenn du tot bist“, sagt Waltraud Bertoni.

Paradiesisch ist es hier auf dem Grundstück des Ehepaars fürwahr. Da sind der Wohnbereich mit dem Atelier, die Scheune mit den Abgüssen, das Museum, geplant von Architekt Johannes Spalt, in dem Werke Bertonis zyklisch angeordnet sind, das idyllische Areal mit Teich, altem Baumbestand und Skulpturen und dann das „Nest“ für die Eiersammlung. Das Eiermuseum, ein Gebäude in Form eines Quadrats auf zwei Stützen, liegt eingebettet in den Skulpturenpark. Der Bau macht glauben, man hätte es mit einem schwebenden Objekt zu tun. Das Obergeschoß, fensterlos, wird von den schräg in den Raum gestellten Stützen und der Stiege getragen.

Das Erdgeschoß ist durchsichtig – komplett verglast. Durch den Raum sieht man die über das Areal verteilten Skulpturen. Der Blick wird nur ab und zu durch die im „Raum-Nest“ ausgestellten Eier abgelenkt. Ins Obergeschoß dringt nur indirektes Licht. Das ist notwendig, weil Eier und Ei-Objekte nicht dem Licht ausgesetzt werden dürfen. Das Eiermuseum besticht durch die Vielfalt der Ausstellungsgegenstände. Es gibt Eier aus Stein, Holz, Metall, Keramik und Glas. Dann Hühner-, Gänse-, Straußen- und Marabueier, viele kunstvoll bemalt, fein graviert, geätzt oder mit Steinen und Perlen beklebt. Das „gläserne Nest“ ist Heimat für Objekte aus vielen Ländern und vielen Themen: Es gibt hier kultische Phallussymbole, Dinosauriereier oder sakral Bemaltes. Wenn auch die meisten Gegenstände von hoher Kunstfertigkeit und besonderer natürlicher Schönheit sind, so gibt es einen kuriosen Kontrapunkt: eine kleine Sammlung von Eierkitschobjekten.

Großer Skulpturenpark

Zu Ostern haben die Bertonis eine besondere Beziehung: Zeit mit Freunden zu verbringen. Das schließt zudem an Gebräuche aus Italien, dem Geburtsland von Wander, an. Zu ständigen Besuchern gehören auch viele bekannte Bildhauer und Keramiker, die Schüler des Bildhauers waren. Sie besuchen ihr Vorbild, ihren Lehrmeister immer wieder.

Auf dem Areal stehen unzählige Skulpturen. Waltraud Bertoni kann die genaue Zahl nicht benennen, schätzt den Bestand aber auf rund 500 Exponate. Auf diese Frage, erzählt sie, wollte sie sich schon vor der Eröffnung des Spalt-Museums vorbereiten, um Journalisten exakte Zahlen geben zu können. Sie habe sich zu diesem Zweck einen Zählapparat zugelegt, wäre aber während der Vorbereitungen immer wieder in ihrem Tun unterbrochen worden, sodass sie am Ende erst nicht wusste, wie viele Schätze es sind. Und es kam, wie es kommen musste, die erste Journalistenfrage war: „Wie viele?“

Aber eine profane Zahl ist nicht von Bedeutung, wenn jedes Objekt von ausgesuchter Ästhetik ist. Fest steht, dass sich alle Originale, jeweils gemeinsam mit einem Bronzeabguss als Beleg in der Scheune befinden. Maximal sieben Abgüsse könnten je Objekt gemacht werden, von denen eines beim Künstler verbleibe, erklärt Frau Bertoni. Alles zeigt hier eine besondere Großzügigkeit. So nimmt es nicht wunder, dass der Bildhauer und seine Frau ihr Reich für Besucher geöffnet haben. Wer sich die Kunstschätze und Eiersammlung anschaut, wird beglückt sein und wiederkommen. Inniger kann die Verbindung von Kunst und Natur nicht sein.

www.bildhauer-wanderbertoni.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2019)

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