Intelligente Zellen mit Gedächtnis

Durch ihre Forschung am blutbildenden System von Kindern hat Elisabeth Salzer unbekannte Krankheiten aufgeklärt und neue Therapien entdeckt.
Durch ihre Forschung am blutbildenden System von Kindern hat Elisabeth Salzer unbekannte Krankheiten aufgeklärt und neue Therapien entdeckt.(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Seltene Erkrankungen sind das zentrale Forschungsthema von Elisabeth Salzer. Mit ihrer Arbeit klärt die Medizinerin grundlegende Mechanismen der menschlichen Biologie auf.

Die Entscheidung, Medizin zu studieren, habe sie nach der Matura eher spontan getroffen, erinnert sich Elisabeth Salzer an den Beginn ihrer Forscherkarriere. Die Biologie und die Funktionsweise des menschlichen Körpers hatten sie zwar immer schon interessiert, „doch während meiner Schulzeit wollte ich eigentlich Diplomatin werden“. Diesen Plan verwarf sie aber wieder – die ehrgeizige Wienerin war der Meinung, zu wenige Sprachen für eine diplomatische Karriere zu beherrschen. Es sollte aber in jedem Fall ein Beruf werden, bei dem sie viel Kontakt zu Menschen hat. Also probierte sie es an der Med-Uni Wien und war sich spätestens nach dem ersten Studienjahr, als sie die damals noch übliche „Knock-out“-Prüfung bestand, sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben. „Rückblickend bin ich sehr froh darüber, weil ich meine Arbeit wirklich sehr gern mache“, betont Salzer.

Nutzlose T-Zellen aktiviert

Inzwischen steht sie kurz vor ihrer Facharztprüfung in Kinderheilkunde und forscht gleichzeitig am Ludwig-Boltzmann-Institut für seltene und undiagnostizierte Erkrankungen (LBI-RUD). Die Leidenschaft für ihr Fach ist der Ärztin nicht nur im persönlichen Gespräch deutlich anzumerken, sie schlägt sich auch in ihrem Erfolg nieder: Neben vielen Fachpublikationen wurde sie kürzlich mit dem zum ersten Mal von der Akademie der Wissenschaften vergebenen Mannagetta-Preis für Nachwuchs in der Medizin ausgezeichnet.

Ihren bisher größten Erfolg sieht Salzer aber in einem Forschungsprojekt, das sie während ihres Doktorats in der Gruppe von LBI-RUD-Direktor Kaan Boztug am Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) abgeschlossen hat: „In dieser Studie haben wir herausgefunden, welcher seltene genetische Defekt in einem Kind mit Immunschwäche dazu führt, dass bestimmte weiße Blutkörperchen – die T-Zellen – nicht aktiviert werden und sich nicht bewegen können. Wir haben dann den molekularen Mechanismus aufgeklärt und konnten letztlich einen Wirkstoff vorschlagen, der nicht nur zur Behandlung dieser einen, sondern auch bei anderen Immunerkrankungen eingesetzt werden kann“, erklärt Salzer.

Seit einer Famulatur an der Hämatoonkologie der Berliner Charité wollte sie das blutbildende System, zu dem auch die T-Zellen gehören, erforschen: „Das sind unglaublich faszinierende Zellen, die man fast als intelligent bezeichnen könnte: Sie haben ein Gedächtnis, können zwischen fremden und körpereigenen Strukturen unterscheiden und Krebszellen oder Krankheitserreger gezielt abtöten.“ Gleichzeitig wurde auch ihr Interesse an Krebserkrankungen geweckt, die in ihrer Komplexität eine besondere medizinische Herausforderung darstellen.

Als Pädiaterin war der Schritt zu den seltenen Erkrankungen dann ein kleiner, sagt Salzer, denn „per Definition ist jede Krebserkrankung im Kindesalter eine seltene Erkrankung“.

Spitzenforschung und Geigenspiel

Es verwundert kaum, dass die ambitionierte Wissenschaftlerin bereits konkrete Pläne für die Zukunft hat: „Momentan versuche ich, Lymphome bei Kindern besser zu verstehen, gleichzeitig arbeite ich an Autoimmunität – hier kann ich hoffentlich bald eine neue Erkrankung beschreiben. Nach meiner Facharztprüfung würde ich dann gern eine eigene Arbeitsgruppe leiten, idealerweise gemeinsam mit einem Bioinformatiker. Das würde uns erlauben, die großen Datenmengen der modernen Sequenziermethoden optimal zu nutzen.“

Trotz ihres beruflichen Ehrgeizes habe sie aber auch ein Leben außerhalb ihres Labors, betont Salzer, und dafür nehme sie sich bewusst Zeit. Für mindestens zweimal Sport pro Woche, aber vor allem für die Musik: „Ich spiele schon seit meiner frühen Kindheit Geige, mein Partner Orgel, auch der Rest meiner Familie ist sehr musikalisch. So oft es geht, treffen wir uns daher zum gemeinsamen Musizieren.“ Doch auch Konzertbesuche dürfen in ihrer Freizeitgestaltung nicht zu kurz kommen – neben der Klassik begeistert sie sich vor allem für Jazz.

ZUR PERSON

Elisabeth Salzer (33) hat Humanmedizin an der Med-Uni Wien studiert und 2015 ein PhD-Studium am CeMM mit Schwerpunkt Erforschung von angeborenen Erkrankungen des Immunsystems abgeschlossen. Ihren Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde absolviert sie am St. Anna Kinderspital; seit 2016 ist sie Postdoc am Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.