Peter Dinklage: "Es gibt Stereotypen über jeden"

Jamie Dornan und Peter Dinklage spielen die Hauptrollen in „My Dinner with Hervé“.
Jamie Dornan und Peter Dinklage spielen die Hauptrollen in „My Dinner with Hervé“.Reuters
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Die Schauspieler Jamie Dornan und Peter Dinklage sprechen über ihren neuen Film „My Dinner with Hervé“, die Diskriminierung von kleinwüchsigen Menschen und darüber, wie sie damit umgehen, als Schauspieler auf eine bestimmte Rolle reduziert zu werden.

1993 arbeitete Sacha Gervasi als Journalist in London, als er den wohl ungewöhnlichsten Auftrag seines Lebens erhielt: Ein Interview mit Hervé Villechaize. Gervasi sollte eine kurze Geschichte über „den berühmtesten Zwerg der Welt“ schreiben, der am besten für seine Rolle als böser Handlanger Schnickschnack im James-Bond-Film „Der Mann mit dem goldenen Colt“ (1974) bekannt war.

Villechaize war von seinem letzten hochkarätigen Job – der Fernsehserie „Fantasy Island“, die er oft mit dem Ruf „The plane! The plane!“ eröffnete – gefeuert worden. Er hatte auch gesundheitliche Probleme, konnte nur noch in einer knienden Position schlafen, weil er sonst erstickt wäre. Und nahm sich nur wenige Tage nach dem Treffen mit Gervasi mit 50 Jahren das Leben.

Gervasi hatte ihm versprochen, dass er der Welt von der Begegnung erzählen würde – und er hat sein Versprechen gehalten. Er teilte seine Geschichte vor etwa 15 Jahren mit Peter Dinklage, aber erst als dieser mit „Game of Thrones“ zu einem Star wurde, entschloss sich HBO dazu, das Projekt unter dem Titel „My Dinner with Hervé“ (zu sehen ab sofort auf Sky Cinema) zu finanzieren – mit Jamie Dornan („Shades of Grey“) als Gervasi.

Es dauerte viele Jahre, bis „My Dinner with Hervé“ produziert wurde. Wieso?

Peter Dinklage: Sacha Gervasi lernte Hervé 1993 kennen und schrieb seinen Artikel noch im gleichen Jahr. Ich kam ungefähr zehn Jahre später dazu. Ich hatte eine kurze Version seines Drehbuchs gelesen, einen rund 30-seitigen Kurzfilm über seine Erfahrungen mit Hervé – ein wunderschönes Drehbuch. Aber wo finden Sie ein Zuhause für einen Kurzfilm über Hervé Villechaize? Es hat die Runde in Hollywood gemacht, und jeder hat es geliebt, aber niemand wusste, was er damit anfangen sollte. Es war ein Kurzfilm mit vielen historischen Drehorten und Details, die viel Geld kosten.

Jamie Dornan: Und die Leute laufen vor so etwas weg.

Dinklage: Genau. Vor allem, wenn es nicht um jemanden geht, der scheinbar eine große Veränderung in der Welt bewirkt hat. Es geht schließlich nicht um Nelson Mandela oder Winston Churchill.

Die Zuschauer versuchen vielleicht, Parallelen zwischen Ihren, Herr Dinklage, und Hervé Villechaize zu ziehen. Hat sein Weg einen Einfluss auf Ihre Karriere gehabt?

Dinklage: Ich bin mir nicht sicher. Könnte sein. Es macht mich ein wenig traurig, so zu denken, denn jeder hat einen anderen Weg. Hat er mich beeinflusst? Nein. Erst als ich den Mann wirklich durch seine Angehörigen und durch die Herstellung dieses Films kennengelernt habe. Jetzt ist er für immer bei mir. Ich war wie alle anderen. „The plane, the plane!“ Das war alles was ich kannte. Als Schauspieler hat er mich nicht beeinflusst. Marlon Brando hat mich beeinflusst. Meryl Streep hat mich beeinflusst.

Villechaize war berühmt für diesen einen Satz, den Sie gerade angesprochen haben. „The plane, the plane!“ Ist es nicht auch irgendwie tragisch, wenn Sie als Schauspieler immer auf eine Rolle festgenagelt werden?

Dinklage: Wissen Sie, ich beschäftige mich damit jeden Tag, weil ich in „Game of Thrones“ mitspiele. Es ist jedoch in 90 Prozent der Fälle gut gemeint. Sie können sich also nicht zu sehr darüber beschweren – oder Sie verstecken sich im Wald, wenn es Sie wirklich stört. (lacht) Selbst wenn Sie schlecht gelaunt sind – und ich bin oft schlecht gelaunt – müssen Sie sich einen Moment Zeit nehmen.

Dornan: Ich denke, es ist ein Segen und ein Fluch. Wenn viele Leute Sie für etwas kennen, bedeutet das auch, dass was auch immer diese Sache ist, sie eine Art kulturellen Einfluss hatte. Es gibt viel Gutes, wenn man sich auf etwas einlässt, das in Massen bekannt ist, aber dann gibt es auch eine Kehrseite dieser Medaille. Manche Leute finden es schwer, das zu überwinden. (lacht)Gestern stand ich neben einer intelligenten Person, die ich ein bisschen kenne, die Mutter eines Kindes, das in die Schule meines ältesten Kindes geht. Ich sagte zu ihr, dass ich für eine Promotion nach New York City fliege, und sie sagte erstaunt: „Du hast noch einen ,Shades of Grey'-Film gemacht?!“ Nein, ich mache auch andere Filme! (lacht) Das ist für mich so verrückt. Das wird mich wahrscheinlich mein ganzes Leben lang verfolgen.

Der Film zeigt auch, wie Hervé Villechaize als kleinwüchsige Person sein Leben lang diskriminiert wurde, weil er kleinwüchsig war. Es gibt eine Szene im Film, in der ein Reporter ihn bittet, lustig zu sein. Herr Dinklage, können Sie das nachvollziehen?

Dinklage: Ja, sicher. Ich weiß nicht, wie das alles begann mit dem Hofnarren im Mittelalter, aber wir haben kleine Leute immer schon als dumm eingestuft; buchstäblich als Narren. Und wir sehen es immer noch so. Wenn Sie sich dagegen auflehnen, dann bekommen Sie eine Menge Ärger, zumindest war das bei mir so in meiner Jugend, weil ich mich geweigert habe, so gesehen zu werden. Es gibt Stereotypen über jeden, nicht nur über kleinwüchsige Leute. Schreckliche Klischees. Als Kultur haben wir angefangen, uns damit auseinanderzusetzen, aber es gibt sie immer noch. Menschen mögen es, andere klein zu machen. Dadurch fühlen sich besser. Aber für mich ist das einfach jemand, der kein Herz hat.

Ein anderes Thema in diesem Film ist, wie Ruhm Menschen regelrecht zerstören kann. Sie sind beide sehr bekannte Künstler. Wie wird man da nicht verrückt?

Dornan: Das ist eine sehr interessante Frage und ich finde das sehr aktuell. Heutzutage braucht es nicht viel, um berühmt zu sein. Sie können heute Abend berühmt werden, wenn Sie auf einer Party mit einem Gürtel um Ihren Penis auftauchen. (lacht)

Dinklage: Aber es hält auch nicht sehr lange an. Sie müssen weiter daran arbeiten. Was heute passiert, ist morgen vorbei.

Dornan: Den Leuten wird vorgegaukelt, dass es eine wirklich tolle Sache ist, berühmt zu sein, und natürlich ist es das nicht. Ich meine, wer bin ich, um den Menschen Ratschläge zu geben, aber ich denke, Peter und ich haben die gleiche Herangehensweise. Konzentrieren Sie sich auf die Arbeit und nicht auf den anderen verrückten Scheiß, der damit einhergeht.

Steckbriefe:

Peter Dinklage:
Der amerikanische Film- und Theaterschauspieler wurde 1969 in New Jersey geboren. Einem breiteren Publikum wurde er durch seine Hauptrolle in „Station Agent“ (2003) bekannt. Seit 2011 spielt er in der Serie „Game of Thrones“ mit.

Jamie Dornan:
Der Brite wurde 1982 in Belfast geboren. 2015 wurde er mit der Hauptrolle in der Romanverfilmung „Fifty Shades of Grey“ über Nacht zum weltweiten Superstar. Zwei höchst erfolgreiche Fortsetzungen folgten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2019)

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