Wir scheuen das Risiko

Noch das geringste. Wir bevorzugen ein Leben nach Plan, wehe, es weicht davon ab. Und wir bewundern Menschen wie David Lama und Hansjörg Auer.

Manchmal hat man Pech. Manchmal hat man alles vorbereitet, neben dem Plan A noch den Plan B geschmiedet, man war vorausschauend und bedacht, hat noch einmal alles kontrolliert, dieses ausgeschlossen und jenes einberechnet und gefunden, das Restrisiko sei kalkulierbar. Wird schon gut gehen. Wird schon alles passen. Doch dann geht gar nichts gut, gar nichts passt und all die Pläne liegen in Scherben.

Aber in Wirklichkeit bedeutet das meist nicht viel. Wir müssen vielleicht mit der Arbeit von vorne beginnen. Oder haben Geld verloren. Wir stehen im Urlaub ohne Hotelzimmer da oder sind gezwungen, einen langen Weg wieder zurückzulaufen. Mehr passiert normalerweise nicht. Denn wir sind es ja gewohnt, Risken kleinzuhalten. Wenn etwas schiefgeht, darf es uns nicht zerstören. Es darf uns nicht einmal durcheinanderbringen.

Es gibt andere Menschen, wie David Lama und Hansjörg Auer, die setzen viel aufs Spiel. Wir bewundern sie, weil sie in diese Höhen klettern, in diese Tiefen tauchen können, aber auch, weil sie etwas wagen. Wie glücklich sie sein müssen dort am Gipfel, am Fels, dort in den Wellen, im Wind. Wie schön es sein muss, wenn einem die Elemente gehorchen.

Vielleicht denken wir ja zu klein. Vielleicht sollten wir uns auch etwas trauen. Wir müssen ja nicht gleich unser Leben riskieren!


Wie bitter der Tod. Wenn diese Menschen scheitern, scheitern sie groß und spektakulär, und manchmal ist ihr Leben dann vorbei. Und obwohl wir sie ja nicht gekannt haben, nur die Fotos in der Zeitung, nur die Videos im Netz, nur die Zitate aus den Interviews, sind wir traurig. Wie schön wäre es gewesen, hätten sie triumphiert. Wie schön wäre es gewesen, hätte das Wagnis sich gelohnt. Wie bitter ist der Tod.

Wir könnten uns jetzt bestätigt fühlen, dass wir recht daran getan haben, die Vorsicht zu wählen: Wir sind auf der sicheren Seite, so sicher, wie man eben sein kann, wenn man lebt. Es geht uns gut, warum sollten wir mehr wollen? Aber sie fühlt sich nicht gut an, diese Bestätigung. Sie fühlt sich an wie ein Verlust. Und das stimmt ja auch.

Mit ihnen stirbt auch unser Mut.

Und es wächst die Angst: Wenn wir Kinder haben, sind wir jetzt doppelt froh, wenn sie am Abend wohlbehalten in ihren Betten liegen, und wir hoffen, sie werden sich Ziele setzen, die gefahrlos zu erreichen sind. „Er folgte stets seinem Weg und lebte seinen Traum. Das nun Geschehene werden wir als Teil davon akzeptieren“, schrieben David Lamas Eltern in einem Abschiedsbrief.

Wir wünschen ihnen so sehr, dass es ihnen gelingt.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2019)

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