Immer schon so

Der Disput zwischen Wanderern und Bauern auf der Alm ist nur einer der Nutzungskonflikte um Landschaften. Ein Historiker zeigt nun, dass das immer schon so war.

Diese Woche hat die Bundesregierung Maßnahmen für „sichere Almen“ vorgelegt, mit denen der Konflikt zwischen Tourismus und Viehwirtschaft besänftigt werden soll: Ausgelöst durch den tragischen Todesfall einer Urlauberin, die mit ihrem Hund auf einer Alm unterwegs war und von einer Kuh totgetrampelt wurde – wofür der Viehhalter in erster Instanz verurteilt wurde –, gibt es nun Verhaltensregeln für Almbesucher, Standards für die Almwirtschaft und eine Verankerung der Eigenverantwortung im Gesetz.

Es ist zu hoffen, dass die neuen Regeln Frieden zwischen Wanderern und Bauern stiften. Allerdings ist dieser Konflikt nur die Spitze eines Eisbergs: Unterschiedlichste Interessen an ein und derselben Fläche gibt es von vielen verschiedenen Nutzergruppen – und das ist nichts Neues, wie der emeritierte Salzburger Historiker Ernst Hanisch in seinem Buch „Landschaft und Identität“ (401 S., Böhlau, 36 €) ausführt. Ausgehend von der Feststellung, dass Landschaft ein zentraler Teil der österreichischen Identität ist, unternimmt Hanisch bei seinem „Versuch einer österreichischen Erfahrungsgeschichte“ einen ausgedehnten Spaziergang durch verschiedene Zeiten und Landschaften.

Herausgekommen ist ein vielschichtiges Buch, das sich wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten von Landschaften genauso widmet wie politischen und emotionalen. Hanisch erinnert etwa daran, dass sich der Sozialdemokrat Otto Bauer 1925 mit einem „Kampf um Wald und Weide“ beschäftigte: Ende des 19. Jahrhunderts kauften reich gewordene Bürger in großem Stil Berglandwirtschaften und Almen auf und wandelten sie in Jagdreviere um. Einige Jagdherren sperrten sogar ihre Reviere für Wanderer – was noch zu Zeiten der Monarchie für Dauerkontroversen mit Alpenvereinen sorgte. Von ähnlich harten Konflikten berichtet Hanisch z. B. aus dem Donautal oder der Gegend um den Neusiedler See, er lotet dabei auch einen grundlegenden Mentalitätswandel im 20. Jahrhundert aus – nämlich eine „zunehmende Trauer über die zerstörte Landschaft“ und ein Erstarken des Naturschutzes. Das macht er u. a. an einem Vergleich der Debatten um den (gefeierten) Kraftwerksbau in Kaprun und den (verhinderten) in Hainburg fest.

Dabei wird sehr deutlich: Die Rahmenbedingungen und die konkreten Ausprägungen von Interessen- und Nutzungskonflikten um Landschaften ändern sich. Aber die Konflikte selbst gab es immer und wird es wohl immer geben.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2019)

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