Terror gegen Kirchen und Hotels: Spekulationen um Hintergründe

TOPSHOT-SRI LANKA-ATTACKS
TOPSHOT-SRI LANKA-ATTACKSAPA/AFP/STR
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290 Tote und 550 Verletzte forderten die Anschläge in Kirchen und Hotels am Ostersonntag in Sri Lanka. Die Polizei nahm inzwischen 13 Verdächtige fest - nähere Informationen über die Hintergründe fehlen.

Trauer, Wut, Entsetzen, Fassungslosigkeit - das sind die Reaktion der Menschen in Sri Lanka nach den verheerenden Bombenanschlägen auf Kirchen und Luxushotels am Ostersonntag. In einem vom "Colombo Telegraph" veröffentlichten Handyvideo aus dem Inneren der St. Anthony-Kirche in Colombo sind schreiende Menschen zu hören, andere bergen Verletzte aus den Trümmern des Gotteshauses, dessen Dach nur noch ein Gerippe ist, durch das der Himmel zu sehen ist. Die Polizei nahm inzwischen sieben Verdächtige fest - nähere Informationen über die Hintergründe fehlen bis zur Stunde.

Sri Lankas Geheimdienst lagen vor den Angriffen nach den Worten des Premierministers Ranil Wickremesinghe Hinweise auf einen möglichen Anschlag vor. Es müsse untersucht werden, warum keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen worden seien, sagte Wickremesinghe in einer Fernsehansprache am Sonntagabend (Ortszeit).

Er gab zudem an, alle bisher festgenommenen Tatverdächtigen stammten offenbar aus Sri Lanka. Mithilfe der internationalen Gemeinschaft solle ermittelt werden, ob diese Verbindungen ins Ausland hatten. Nach Angaben der Polizei gab es inzwischen 13 Festnahmen nach den Anschlägen auf Kirchen und Hotels.

Spekulationen gibt es reichlich. Polizeichef Pujuth Jayasundara hatte bereits vor zehn Tagen nach Hinweisen ausländischer Geheimdienste vor Anschlägen auf Kirchen gewarnt. Als potenzielle Täter nannte der höchste Polizist Sri Lankas die "National Thowheed Jama'ath" (NTJ). Die Organisation muslimischer Tamilen hatte 2018 mit der Zerstörung von Buddha-Statuen für Schlagzeilen gesorgt.

Bilder der Verwüstung in der St. Anthony-Kirche
Bilder der Verwüstung in der St. Anthony-Kircheimago images / Xinhua

Mahamood Lebbe Alim Mohamed Hizbullah, Minister für Umsiedlungen und Wiedereingliederung, warnte jedoch in einem Interview mit dem malaysischen Nachrichtenportal "The Leaders Online" vor voreiligen Schuldzuweisungen. "Die Ermittlungen laufen. Aber es gibt keine Beweise gegen eine spezielle Partei, Gemeinschaft oder Gruppe", betonte der muslimische Politiker.

Lange blutige Geschichte

Sri Lanka hat eine lange Geschichte blutiger Gewalt gegen und zwischen Religionsgemeinschaften und ethnische Gruppen. Radikale buddhistische Mönche heizen seit Jahren Hass und Gewalt vor allem gegen die muslimische, aber auch christliche Minderheit an. Immer wieder kommt es zu antimuslimischen Gewaltexzessen wie im Mai 2018, als radikale Buddhisten in Kandy Moscheen verwüsteten, muslimische Geschäfte brandschatzten und mindestens drei Menschen umbrachten.

Der Krieg zwischen der Minderheit der Tamilen im Norden Sri Lankas und der Armee ging vor zehn Jahren mit einem Gemetzel an der militärischen Führung der Rebellenmiliz Tamilische Tiger zu Ende. Sri Lanka ist aber immer noch gespalten zwischen der Politik, Wirtschaft und Militär dominierenden buddhistischen Mehrheit im Süden des Landes und den armen Tamilen, von denen 80 Prozent Hindus, die anderen 20 Prozent Christen und Muslime sind. Weil die katholische Kirche immer wieder die Menschenrechtsverletzungen an den Tamilen angeprangert hat, gelten vor allem die Bischöfe im Norden bei Armee und Geheimdienst als Verräter und Terrorunterstützer.

Mögliche internationale Hintergründe

Die zerstörte Kirche in Negombo
Die zerstörte Kirche in NegomboREUTERS

Unter dem Titel "Geopolitische Rahmenbedingungen: Über das Aufkommen offensichtlicher religiöser Gewalt in Sri Lanka" beschäftigt sich ein erster Kommentar im "Colombo Telegraph" mit möglichen internationalen Hintergründen des Anschlags. Es sei eine seit dem Kalten Krieg in Asien bewährte Strategie von internationalen Kräften, Religion als Waffe zur Spaltung von Gesellschaften zu nutzen. Die Anschläge auf die Kirchen und Hotels seien Teil dieser Strategie, Sri Lanka religiös, gesellschaftlich und wirtschaftlich zu destabilisieren. Wegen seiner wichtigen geostrategischen Lage im Indischen Ozean sei Sri Lanka "im Fadenkreuz zwischen den USA und ihres Verbündeten Indien sowie China".

Im Internet widmen sich unterdessen Sri Lanker allerlei innenpolitischen Verschwörungstheorien. Ein Rasha schreibt in einem Kommentar zur Berichterstattung im "Colombo Telegraph": "Es ist unmöglich, ein koordinierte Attacke dieser Art und diesen Ausmaßes ohne das Wissen von sehr mächtigen Personen in der Armee oder der Regierung durchzuführen." Ein Champa meint: "Das wurde von der Regierung in Auftrag gegeben."

Ganz abwegig sind solche Spekulation nicht in einem Land, das reich an oft gewaltsam ausgetragenen politischen Konflikten und Intrigen ist. Die Mahnung von Papst Franziskus zu Versöhnung und interreligiösem Dialog bei seinem Besuch in Sri Lanka im Jänner 2015 sind bei den Mächtigen leider verhallt.

207 Tote und 500 Verletzte

Die Behörden gehen von 290 Toten aus. Bei den koordinierten Explosionen wurden außerdem rund 550 Menschen verletzt, wie Sprecher von sieben örtlichen Krankenhäusern der Deutschen Presse-Agentur sagten.

Nach Angaben der Tourismusbehörde sind unter den Toten 32 Ausländer aus acht Staaten. Dazu gehörten Bürger Indiens, der USA, Großbritanniens, Portugals, Chinas, der Niederlande, Belgiens und der Türkei.

Mittlerweile sind 13 Menschen festgenommen worden. Bei den Verdächtigen handle es sich um Einwohner des Inselstaats, allerdings gingen die Behörden auch möglichen Verbindungen ins Ausland nach, sagte Regierungschef Ranil Wickremesinghe.

Der Minister verhängte eine landesweite Ausgangssperre, die bis zum frühen Montagmorgen gelten sollte. Zudem sperrte die Regierung nach seinen Angaben vorübergehend den Zugang zu sozialen Medien. Die Schulen sollten für zwei Tage geschlossen bleiben, die Universitäten zunächst unbefristet.

Der südasiatische Inselstaat mit seinen tropischen Stränden ist ein beliebtes Touristenziel, es hat seit Jahren keinen größeren Anschlag gegeben. 2009 war dort ein 26 Jahre dauernder Bürgerkrieg zu Ende gegangen. Nur etwa sieben Prozent der Bevölkerung Sri Lankas sind Christen. Die Mehrheit sind Buddhisten.

Insgesamt acht Detonationen

Insgesamt gab es am Sonntag mindestens acht Detonationen, darunter drei in Kirchen und drei weitere in Luxushotels. Bei den Kirchen handelte es sich um die St.-Antonius-Kirche in der Hauptstadt Colombo, die St.-Sebastians-Kirche im rund 30 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Negombo sowie die Zionskirche in Batticaloa, rund 250 Kilometer östlich von Colombo. In den Kirchen fanden gerade Ostergottesdienste statt. Dort gab es die meisten Opfer. Nach Polizeiangaben wurde die Attacke auf die Kirche in Negombo vermutlich von einem Selbstmordattentäter ausgeführt.

Außerdem gab es Explosionen in den Fünf-Sterne-Hotels Shangri-La, Cinnamon Grand und Kingsbury in Colombo. Dort sollen auch Ausländer verletzt worden sein. Später wurde eine siebente Explosion in einem kleinen Hotel in einem Vorort der Hauptstadt Colombo mit zwei Toten gemeldet. Eine achte Explosion ereignete sich am Nachmittag in einer Wohngegend in Dematagoda, einem anderen Vorort Colombos. Dort wurden drei Polizisten von einer einstürzenden Wand erschlagen.

Eine weitere Detonation ereignete sich in der Nähe des Dehiwala Zoos bei Colombo
Eine weitere Detonation ereignete sich in der Nähe des Dehiwala Zoos bei Colomboimago images / ZUMA Press

Explosionen fast zeitgleich

Die Explosionen in den Kirchen und Luxushotels fanden fast zeitgleich statt. Die erste wurde aus der Kirche in Colombo gemeldet, die übrigen fünf alle innerhalb von nur 30 Minuten.

Zunächst bekannte sich niemand zu den Angriffen. Staatspräsident Maithripala Sirisena, der auch Verteidigungsminister ist, sagte, die Streitkräfte und die Polizei gingen der "Verschwörung" auf den Grund. Die Oberbefehlshaber der Streitkräfte trafen mehrere Minister zu einer Krisensitzung. Premierminister Wickremesinghe sagte, die Anschläge "zielten klar darauf ab, das Land zu destabilisieren".

Minister Harsha de Silva schrieb auf Twitter, in einer Kirche in Colombo habe es "schreckliche Szenen" gegeben. Diese sei mit Körperteilen übersät gewesen. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Retter Verletzte aus einer verwüsteten Kirche trugen.

Die Angriffsserie stieß weltweit auf Entsetzen. Papst Franziskus gedachte vor Zehntausenden Gläubigen auf dem Petersplatz in Rom der Opfer. "Ich möchte der christlichen Gemeinschaft, die getroffen wurde, als sie im Gebet versammelt war, und allen Opfern so grausamer Gewalt meine innige Nähe ausdrücken", sagte Franziskus.

(APA)

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