Persönliches zu zehn Jahren Wolfszentrum in Ernstbrunn

Das Wolf Science Center zeigt, dass es möglich ist, eine Forschungsstelle in Private-Public-Partnership zu entwickeln.

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Die letzten zehn Jahre meiner aktiven Zeit an der Uni wollte ich mich eigentlich vermehrt dem Schreiben, Lesen und Publizieren widmen. Es sollte anders kommen. Schon Jahre zuvor klopfte Friederike Range an meine Tür in der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle. Sie hatte gerade ihr Doktorat zum Verhalten afrikanischer Affen an einer US-Universität abgeschlossen und wollte nun zur Kooperation bei Wölfen arbeiten. Wir teilten dieses Interesse, hatten aber weder Geld noch Wölfe. Friederike ging also zunächst an die Uni Wien, um dort mit dem Kognitionsbiologen Ludwig Huber soziales Lernen bei Krallenäffchen zu untersuchen.

2008 legten wir los, Friederike Range, Zsófia Virányi von der Eötvös-Uni in Budapest und ich. Mit mulmigem Gefühl, stand uns doch nicht weniger als der Aufbau einer neuen Institution aus dem Nichts bevor. Die ersten vier Wolfswelpen kamen aus dem Tierpark Herberstein, wir zogen sie in Grünau auf und erhoben erste Daten. Es folgte die Einladung von Prinz Heinrich XIV. Reuss, in seinem Wildpark in Ernstbrunn im Weinviertel weiterzumachen. Wir übersiedelten 2009 sehr gern, zumal sich die Kooperation mit dem Grünauer Park als schwierig erwiesen hatte. In Heinrich Reuss fanden wir einen unternehmerischen, zuverlässigen Partner, er in uns eine attraktive Neuerung für seinen Wildpark.

In wenigen Jahren entwickelte sich das Wolfsforschungszentrum zum Mittelbetrieb mit 20 Beschäftigten. Wir wurden von der Gemeinde, Park, vielen Förderern aus Österreich und Deutschland sowie vom Wissenschaftsministerium, dem Land und den Unis derart toll unterstützt, dass es gelang, das größte und vor allem einzige Institut der Welt für Grundlagenforschung an vergleichbar aufgezogenen Wölfen und Hunden, mit etwa 50.000 m2 Gehegen, mit Gebäuden und Anlagen völlig neu aufzubauen, fast ohne uns privat zu verschulden. Welche Grundlagenforschung? Menschen und Wölfe haben ökologisch und sozial sehr viel gemeinsam. Und aus Wölfen wurden Hunde, die seit über 30.000 Jahren die Eroberung der Erde durch den Menschen begleiten. Wölfe sind ausgezeichnete Modelle, um die Evolution der Kooperation beim Menschen zu untersuchen. Weil Hunde durch Anpassung an uns Menschen entstanden sind, untersuchen wir die Wolf-Hund-Unterschiede, da sich die Natur des Menschen darin spiegelt. In bislang mehr als 50 wissenschaftlichen Publikationen kratzen wir heftig am Mythos, dass aus den angeblich aggressiven Wölfen die sanften Hunde entstanden seien (mehr Infos s. www.wolfscience.at).

Vor etwa zwei Jahren ging das gesamte WSC an die Universität für Veterinärmedizin. Die Uni bekam damit ein nahezu schuldenfreies, sehr sichtbares wissenschaftliches Topinstitut, wir drei Gründer wurden aus der persönlichen Haftung entbunden, und das WSC wird professionell verwaltet. Mehr Win-Win geht eigentlich nicht. Souveräne Power-Kapitänin des neuen Dampfers ist nun Friederike Range. Diese Entwicklung darf stolz machen, zeigt sie doch, dass es hierzulande möglich ist, eine bedeutende Forschungsinstitution in Private-Public-Partnership zu entwickeln. Auch Österreich darf stolz sein, es wurden uns kaum Prügel zwischen die Beine geworfen, ganz im Gegenteil. Nun feiern wir zehnjähriges Bestehen. Danke allen, die dies ermöglicht haben, danke vor allem Friederike und Zsófia für die zahllosen gemeinsam gelösten Probleme, die aus drei Einzelkämpfern ein spannendes Team geformt haben.

Kurt Kotrschal, Verhaltensbiologe i. R., Uni Wien, Wolf Science Center Vet-Med-Uni Wien, Sprecher der AG Wildtiere/Forum Wissenschaft & Umwelt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2019)

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