Als die sexuelle Revolution Kindesmissbrauch propagierte

Ein moralischer Ausnahmezustand begünstigte sexuelle Gewalt in der katholischen Kirche wie im Wilhelminenberg-Heim der Stadt Wien und in der Odenwaldschule.

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„Wer war Petrus? Er hat dreimal gekräht.“ In einem Vortrag „Über die Dummheit“, den er 1937 in Wien hielt, wählte Robert Musil diesen Satz als Beispiel für „abkürzendes Verdichten“. Der „ehrlichen Dummheit“ der poetischen Verkürzung stellte Musil die gar nicht so harmlose „höhere Dummheit“ gegenüber, die „eigentliche Bildungskrankheit“, nämlich „Unbildung, Fehlbildung, falsch zustande gekommene Bildung“. DummheitI und Dummheit II gehen gern Hand in Hand.

Vor drei Wochen erschien unter dem Titel „Die Kirche und der Skandal des sexuellen Missbrauchs“ ein Brief des emeritierten Papstes. In verkürzender Verdichtung titelte der „Standard“: „Für Benedikt XVI. ist 68er-Revolution Ursprung der Missbrauchsfälle“. Eine „Hinterfotzigkeit“ sei dieser Brief, empörte sich die deutsche Alt-68er-Postille „TAZ“, „ein Dokument der Verleumdung und der Heuchelei“, Ratzinger wolle die „totalitäre katholische Kirche wiederherstellen“. Der Emeritus fördere die „Spaltung seiner Kirche“, sein Text sei eine „Kampfschrift gegen den amtierenden Papst“, ereiferte sich kath.de, das Internetportal der deutschen Bischofskonferenz. Fast alle Kommentare bestritten den Zusammenhang zwischen den Missbrauchsfällen und der sexuellen Revolution. Ganz so, als ob Priester immun gegen weltliche Einflüsse wären, als ob sich die Erosion der gesellschaftlichen Moral auf den Klerus nicht ausgewirkt hätte. Doch wie erklärt man sich dann, dass die Zahl der pädophilen Verbrechen in der Kirche in den 1960er- und 1970er-Jahren signifikant angestiegen ist?

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