Die neue Sozialhilfe im Detail

Wie hoch ist die monatliche Sozialhilfe? Wie wirken sich Deutschkenntnisse aus? Wie steht es um Familien mit mehreren Kindern? Die türkis-blaue Reform im Überblick.

Mit dem Bundesgesetz über die "Grundsätze der Sozialhilfe" regelt die Regierung die bisherige Mindestsicherung neu. Dieses im Vorfeld heftig kritisierte "Grundsatzgesetz" legt künftig Höchstgrenzen für die Sozialhilfe fest. Es soll mit 1. Juni in Kraft treten, die Bundesländer haben für ihre Ausführungsgesetze bis Jahresende Zeit. Vor dem Nationalratsbeschluss am Donnerstag gab es noch kleine Änderungen.

Die monatliche Sozialhilfe wird damit künftig in der Höhe des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes gewährt, das sind 885,47 Euro für 2019. Für Paare sind es zwei Mal 70 Prozent des Richtsatzes, das sind derzeit 1.239,66 Euro.

Für Familien mit mehreren Kindern bringt die Neuregelung Einschnitte durch eine Staffelung pro Kind: Für das erste Kind ist ein Sozialhilfe-Satz von 25 Prozent des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes vorgesehen (221,37 Euro), für das zweite Kind 15 Prozent (132,82 Euro) und ab dem dritten Kind gibt es 5 Prozent des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes (44,27 Euro).

Für Menschen mit Behinderung ist ein Bonus von 18 Prozent (159,39 Euro) vorgesehen. Hier hat die türkis-blaue Koalition noch nachgebessert und aus der Kann-Bestimmung im Begutachtungsentwurf eine Muss-Bestimmung für die Länder in der Regierungsvorlage gemacht. Für Alleinerzieherinnen ist hingegen bei der Kann-Bestimmung geblieben. Ihnen können die Länder nach eigenem Ermessen Zuschläge von 12 Prozent vom Ausgleichszulagenrichtsatz (106,25 Euro) bei einem Kind ausschütten, bei zwei Kindern 21 Prozent (185.95 Euro), bei drei Kindern 27 Prozent (239,10 Euro) und für jedes weitere Kind plus drei Prozent.

Leben mehrere Sozialhilfebezieher in einer Wohngemeinschaft, so ist eine Deckelung von 175 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes (1.549,57 Euro) vorgesehen. Ausgenommen von dieser Deckelung sind nicht nur Kinder, sondern auch Menschen mit Behinderung. Auch dauerhaft erwerbsunfähige Bezieher sind von der Bestimmung ausgenommen.

Quasi in letzter Minute hat die Regierung nach heftiger Kritik noch eine Klarstellung getroffen. Mit einem Abänderungsantrag vor dem Parlamentsbeschluss wurde festgehalten, dass Spenden sowie von den Ländern gewährte Heizkostenzuschüsse nicht angerechnet werden.

Die Länder haben die Leistungen mit maximal zwölf Monaten zu befristen, danach muss ein neuer Antrag gestellt werden. Bestehende bessere Regelungen der Länder für Sonderbedarfe (Pflege, Behinderung) werden durch dieses Grundsatzgesetz nicht berührt. Die Länder können einen Wohnzuschuss von bis zu 30 Prozent gewähren, um die unterschiedlich hohen Mietkosten in den Bundesländern zu berücksichtigen. Straftäter bekommen während des Aufenthalts in der Haftanstalt keine Sozialhilfe, unmittelbar nach ihrer Entlassung (auch nach einer bedingten) haben sie aber Anspruch darauf.

Mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz werden explizit auch "integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele" berücksichtigt. Für Zuwanderer mit schlechten Deutschkenntnissen bedeutet das Kürzugen. Sie bekommen nur 65 Prozent der regulären Leistung, das sind für 2019 rund 575 Euro. Die rund 300 Euro Differenz auf die volle Geldleistung werden als Sachleistung zum "Arbeitsqualifizierungsbonus für Vermittelbarkeit" erklärt. Damit sollen Sprachkurse finanziert werden. Den vollen Betrag gibt es erst ab Deutsch-Niveau B1 oder Englisch-Niveau C1. Präzisiert wird hier im Integrationsgesetz, dass der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) die Kursanbieter zertifiziert und auch die Prüfungen abnimmt. Für Drittstaatsangehörige sowie EU- und EWR-Bürger ist eine fünfjährige Wartefrist vorgesehen, bevor sie die Sozialhilfe beziehen können.

Bestehen bleibt die Möglichkeit der Länder, auf das Vermögen der Betroffenen zuzugreifen. Es gibt aber Ausnahmen, so soll etwa ein Auto, das zur Fahrt in die Arbeit benötigt wird, vom Zugriff ausgenommen sein. Zudem wird ein "Schonvermögen" von 600 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes (rund 5.300 Euro) definiert, auf das kein Zugriff möglich ist. Zugleich wird die "Schonfrist" für den Zugriff auf das Eigenheim bzw. die pfandrechtliche Eintragung im Grundbuch von sechs Monaten auf drei Jahre erhöht.

Nach dem Beschluss im Nationalrat soll das Gesetz laut Regierungsvorlage mit 1. Juni in Kraft treten. Die Länder haben dann bis Ende des Jahres Zeit für ihre Ausführungsgesetze. Die genauen Ausführungsbestimmungen sowie konkrete Sanktionen bei Missbrauch oder Arbeitsunwilligkeit müssen die Länder selbst festlegen. Nach der im Gesetzesentwurf enthaltenen "Folgekostenabschätzung" sollen den Ländern Mehrkosten von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2020, 11,8 Millionen im Jahr 2021 und 14,6 Millionen Euro im Jahr 2022 entstehen.

(APA)

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