Rabenhoftheater: Ja, der Danzer war schon ein Guter

Sie teilen sich Georg Danzers Personen: Oliver Welter an der Gitarre, Lucy McEvil an der Stange, vorn der vortreffliche Christoph Krutzler.
Sie teilen sich Georg Danzers Personen: Oliver Welter an der Gitarre, Lucy McEvil an der Stange, vorn der vortreffliche Christoph Krutzler.(c) SOPHIE MENEGALDO
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Grantig und lieb, melancholisch und am Ende schwarz: Unter Thomas Gratzers effizienter Regie interpretiert ein Quartett das Werk des Austropop-Vizekaisers.

Die Siebzigerjahre sind schnell auf die Bühne gestellt: runde, marmorne Kaffeehaustische, darauf kaffeebraune Kaffeetassen und dunkelbierbraune Bierflaschen, Cinzano-Aschenbecher mit vielen, vielen Tschicks drin. Viel Rauch sowieso. Ein Flipper. An der Wand Plakate, dicht gepickt, wie man's damals gern hatte in Jazzspelunken und Gärtnerinseln, eines davon mit dem „Stimmen der Welt“-Logo: André Heller, Tour 1981. Darüber ein Streifen: „Abgesagt“.

Das ist wohl eine Selbstreferenz: Sänger Oliver Welter, Kunstfigur Lucy McEvil, Schauspieler Christoph Krutzler und Pianist Alf Peherstorfer haben 2017 unter Thomas Gratzers Regie im Rabenhof eine Hommage an den frühen André Heller gestaltet, ihn als wunderlichen, wundersamen Poppoeten für eine neue Generation entdeckt. Das ist bei Georg Danzer (1946–2007) weder nötig noch möglich: Er wurde nie verkannt, ihn schätzten schon in den Achtzigerjahren selbst die Postpunks, die sonst bei der bloßen Erwähnung von Austropop gequält die Augen rollten. Das Verdikt „peinlich“ traf ihn nie, im Gegensatz zu seinen A3-Gefährten Ambros und Fendrich, vielleicht weil er nicht so glatt war wie dieser und doch geschmeidiger als jener, weil er im Grant noch ein bisserl lieb war und beim Liebsein ein bisserl grantig. Und weil er, wenn er ordinär war – und, sapperlot, das konnte er sein –, mit den Augen zwinkerte: Führung durch die Vorstadt, liebe Freunde! Dass sein lyrisches Ich wirklich ein Messer eingesteckt hat, wie es in „Geh in Oasch“ behauptet, glaubte man ihm kaum.

Und doch: Durch Georg Danzers beste Lieder, und das sind einige, weht ein sehr wienerischer Geist melancholischer Resignation, der sich nicht kompromittieren lässt. In ihr fand sich Oliver Welter, Sänger der auf hymnische Melancholie spezialisierten Band Naked Lunch, offenbar wieder: Wie sein Kärntner Akzent stets durchs angestrebte Wienerisch schimmert und manchmal durchbricht, ist lustig und rührend zugleich, also gut für einen Danzer-Abend geeignet. Und manchmal meint man, sogar eine Träne in seinen Augen wachsen zu sehen.

Christoph Krutzlers Augen sind sowieso feucht, er lässt sie quellen, wie Helmut Qualtinger das einst konnte, gerührt von seiner eigenen Rührseligkeit, seiner dämonischen Gemütlichkeit. Da steht er im Trainingsanzug, in all seiner Leiblichkeit, ein „Zoata“, wie man in den Außenbezirken sagt, trägt dick auf und verkörpert doch nie nur ein Klischee, nicht einmal als „Vorstadtcasanova“, der sich selbst als „ka Sängerknabe, aber auch ka Peitscherlbua“, als „mit Leib und Seel ein Puderant“ beschreibt. Dabei schaut er ganz lieb zu Lucy McEvil, die/der leicht mitleidig zurückschaut: eine Halbwelterscheinung mit Herz – und einer Stimme, die beide Geschlechter zugleich transzendiert.

Der „Wixer-Blues“ und der „Tschick“

Die Lieder und Texte des Abends sind halbwegs thematisch geordnet, am schwächsten ist der Block mit den politisch angehauchten, hochdeutsch gehaltenen Liedern wie „Ihr habt die Macht“ oder „Die Freiheit“: Das war nicht Danzers Stärke, sein Pathos wirkt oft angestrengt, gymnasiastenhaft, die vier Darsteller können auch nicht viel damit anfangen. Der humoristische bis frivole Teil nach der Pause funktioniert besser, Oliver Welter gewinnt sogar dem gar schenkelklopferischen „legendären Wixer-Blues“ etwas Charme ab. Schließlich, nach „Hupf in Gatsch“, das den Vergleich mit Wolfgang Ambros' „Zwickt's mi“ nicht scheuen muss – das ist ein Kompliment! –, gleitet der Abend ins Düstere, ja: Schwarze. Der Text über Danzers tote Mutter ist hart, im „Tschick“ brilliert Krutzler noch einmal – allein die verzweifelte Zärtlichkeit, mit der er das „Glaserl Rum“ besingt! –, ganz zuletzt kommt, wie könnte es anders sein, „Lass mi amoi no d'Sunn aufgeh'n segn“. Wer da nicht gerührt ist, das kann kein Guter sein.

„Jö Schau, Von Scheibbs bis nach Nebraska – Georg Danzer träumt“: noch am 27. 4., 2., 7., 8., 22., 28. und 31. 5.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2019)

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