Kurz: "China zu ignorieren, ist der falsche Ansatz"

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Am Freitag eröffnete Chinas Präsident Xi Jinping einen Gipfel zur Seidenstraßeninitiative, zu dem auch Kanzler Kurz geladen war. Mit dem Infrastrukturprojekt wolle Peking nicht weniger, als die Nachkriegsordnung durch sein eigenes System zu ersetzen, sagen Beobachter.

Da saßen sie, die 37 Staats- und Regierungschefs. Prominent waren sie in einer langen Reihe tiefer Armsessel postiert, während Xi Jinping vor Dutzenden Zusehern auf die Bühne trat. Nur ausgewählte Staatsgäste hatte Chinas Staats- und Parteichef zum „Belt and Road“-Forum in die chinesische Hauptstadt geladen: außer politischen Verbündeten wie Russlands Präsident Wladimir Putin und Kasachstans Ex-Präsident Nursultan Nasarbajew, auch symbolträchtigen EU-Besuch, darunter Italiens Premier Giuseppe Conte und Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Für Xis Prestigeprojekt, die Seidenstraßeninitiative, wollte sich Peking perfekt inszenieren: Die Straßen der chinesischen Hauptstadt waren herausgeputzt, sogar der blaue Himmel zeigte sich über der sonst so versmogten Stadt. Während Xi eine halbe Stunde über seine Vision einer Weltordnung unter chinesischen Vorzeichen referierte, verteilten Helfer für die Journalisten einige Stockwerke darunter die „Xi Jinping Gedanken“, Xis ideologisches Grundwerk.

In Anlehnung an die antike Handelsroute will China ein weltumspannendes Infrastrukturnetz schaffen: Es soll sich von China bis nach Europa, Afrika und – seit Kurzem – auch Südamerika erstrecken. Peking beteuert, dass es sich bei dem Megaprojekt um ein rein wirtschaftliches Unterfangen handle, von dem alle profitierten. Bisher seien 440 Milliarden US-Dollar (396 Milliarden Euro) für die Initiative bereitgestellt worden, sagte Zentralbankchef Yi Gang. Während Zentralasien und Afrika nach Investitionen lechzen, die nicht an politische Bedingungen geknüpft sind, suchen Industrieländer wie Österreich Zugang zum chinesischen Markt mit seiner schnell wachsenden Mittelklasse.

Chinesische Eigeninteressen

Doch dass die KP-Führung Eigeninteressen hat, ist unbestritten. Die Auftragsbücher der von Überkapazitäten geplagten Unternehmen sollen gefüllt, die globalen Marktanteile ausgebaut werden. Chinas Firmen exportieren daher nicht nur Arbeiter, sondern auch Rohstoffe für Projekte entlang der Seidenstraße. Kombiniert mit der hohen Zinslast tappten Staaten wie Malaysia, Sri Lanka aber auch Montenegro in die Schuldenfalle. Nicht nur der Internationale Währungsfonds warnt vor einer Überschuldungsgefahr für die Empfängerländer, selbst in China werden Warnungen vor Kreditausfällen immer lauter.

Und: Beobachter unterstellen Peking, nicht weniger als die Nachkriegsordnung sinisieren zu wollen. So sprach Xi in seiner Rede nicht von einer „gemeinsamen“, sondern einer „geteilten“ Zukunft für die Welt. Ihm schweben verschiedene, gleichzeitig bestehende Gesellschaftsformen vor: Das sinozentrische System basiert möglichst auf bilateralen Beziehungen unter dem Banner der „Belt and Road“.

Diese außenpolitische Denkart spiegelte sich auch im ursprünglichen Entwurf der Gipfelerklärung wider: Für Österreich zentrale Voraussetzungen im Umgang mit China - wie regelbasierte Zusammenarbeit, faire Wettbewerbsbedingungen oder Menschenrechte - fehlten darin, erklärte Kanzler Kurz im Anschluss an den Gipfelauftakt. Sie seien erst auf Drängen Wiens eingebaut worden.

Kurz übt Kritik an EU-Teilnehmern

Kritik übte Kurz an den anderen EU-Staaten, die an den Verhandlungen teilgenommen hatten: Italien, Griechenland, Portugal, Polen, Ungarn und Tschechien. Österreich habe sich im Vorfeld als einziges Land mit Brüssel ausgetauscht. Nicht zufällig zählen die übrigen Staaten zu den 15 Unionsmitgliedern, die die umstrittene Absichtserklärung zur Seidenstraße schon unterzeichnet haben. Kurz will diesem bilateralen Vertrag nicht zustimmen. Er ist damit auf einer Linie mit Frankreich und Deutschland, die ein geeintes Auftreten gegenüber der Volksrepublik fordern.

Dennoch: „China zu ignorieren, ist der falsche Ansatz“, meinte Kurz. Denn Xi werde die Seidenstraße so oder so vorantreiben. Daher begrüße Österreich eine Zusammenarbeit, solange heimische Interessen gewahrt werden. Als Beispiel nannte er ein geplantes Abkommen des Wirtschaftsministeriums zur Kooperation heimischer und chinesischer Firmen in Drittstaaten, das auch die Schweiz abschließen will.

"Kooperation auf Augenhöhe"

Denn das Stichwort in der österreichischen China-Politik lautet „Kooperation auf Augenhöhe“. Dass ein bestimmtes Auftreten gegenüber Peking Wirkung zeigen kann, bewies zuletzt die EU-Kommission. Sie bezeichnet die Volksrepublik nun offen als „systemischen Rivalen“. China habe das schwer getroffen, heißt es aus Diplomatenkreisen. Xis Versprechen von Freitag könnten auch in diesem Zusammenhang gesehen werden. In seiner Rede reagierte er auf die Kritik, die zuletzt im Hinblick auf die Seidenstraße laut geworden war: Er bekannte sich zu mehr Transparenz in der Auftragsvergabe, zur Einhaltung von Umweltstandards, zum Kampf gegen Korruption und zu einer Öffnung des chinesischen Marktes. Ob China diese Ankündigungen umsetzen wird, ist allerdings fraglich.

Kurz forderte am Freitag jedenfalls zu einem „Kulturwandel“ auf: Nur mit einem Willen zu Wettbewerbsfähigkeit könne sich Europa in Zukunft noch behaupten. „Sonst wird es schwer, unsere Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu exportieren“. Der Knackpunkt sei Innovation: „Wir brauchen weniger Regulierungen, um Produkte schneller auf den Markt bringen zu können.“

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