Jack Unterweger: Elf Morde, ein Tagebuch

Jack Unterweger, 1994.
Jack Unterweger, 1994.GEORGES SCHNEIDER/APA
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25 Jahre nach dem Verfahren gegen den mutmaßlichen Serienkiller erscheint nun dessen Prozesstagebuch.

Wien. „Niemand stellt die Frage, ob ich der Serienmörder bin, sie theoretisieren nur noch, ob es gelinge, mir diese Morde nachzuweisen, anzuhängen. Die Saat, vor allem der ,Kronen Zeitung‘ und ihrer Vasallen, ging auf. Wut, ich, brennend heißer Spucknapf der Nation.“

Dies schrieb Jack Unterweger im Frühjahr 1994 in der U-Haft in Graz, wo er sich wegen elffachen Frauenmordes verantworten musste. Am 10. Mai erscheinen nun seine bisher unveröffentlichten Aufzeichnungen in Buchform.

Es ist also 25 Jahre her, dass Unterweger vor den Geschworenen stand. Damals sprach man von einem „Jahrhundertprozess“. Alles, was die damalige Forensik hergab, wurde aufgeboten. Die DNA-Analyse steckte noch in den Kinderschuhen. Und doch lieferte der Abgleich von genetischen Merkmalen (es ging um ein in Unterwegers Auto gefundenes Haar eines Opfers) einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten, der 1950 im steirischen Judenburg als Sohn eines US-Besatzungssoldaten und einer Wienerin auf die Welt gekommen war. Am 28. Juni 1994 wurde Unterweger wegen neunfachen Prostituiertenmordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

In zwei Fällen reichte es nicht für einen Schuldspruch. Die sterblichen Überreste dieser beiden Opfer waren erst relativ spät aufgefunden worden und wiesen keine eindeutigen Spuren mehr auf. Da sich Unterweger wenige Stunden nach seiner Verurteilung in seiner Zelle erhängte, wurde der Spruch nie rechtskräftig. Ausgehend von der Anklage handelte es sich damals um den ersten Fall eines sexuell motivierten Serienkillers in Europa. Der damals wie heute aktive Gerichtsgutachter Reinhard Haller meinte später retrospektiv in einem „Presse“-Interview: „Wie bei vielen Serienmördern lag bei Unterweger ein sogenannter bösartiger Narzissmus in geradezu klassischer Form vor.“

Unterweger selbst notierte damals auch seine ersten Prozess-Momente: „Eintritt in den Saal. Grausam. Römische Arena, abgesperrt mit Eisengitter, zu meinem Schutz. Reporter, Kameras, zum Kotzen ihre Zurufe: ,Jack daher, Jack dorthin!‘ “. Sowohl seine Tagebucheinträge zur Verhandlung als auch jene über seine Zeit in Auslieferungshaft in Miami, USA, fanden nun Eingang in das Buch „Ich habe wie eine Ratte gelebt!“ (Seifert Verlag; 14,95 Euro).

Liebe einer jungen Juristin

Herausgeberin ist die Anwältin Astrid Wagner. Sie war zur Zeit des Verfahrens Rechtspraktikantin des Grazer Landesgerichts und besuchte Unterweger viele Male in der U-Haft. Dieser hatte ihr seinerzeit die – nun kurz vor der Publikation stehenden – Aufzeichnungen anvertraut. Viel später (2014) sollte sich Wagner im Buch „Verblendet“ zu ihrer damaligen Liebe zu Unterweger bekennen.

War da nicht noch etwas? Natürlich: Unterwegers Vorleben. 1983 wurde seine Biografie „Fegefeuer oder die Reise ins Zuchthaus“ veröffentlicht. Teile der österreichischen Literaturszene feierten Unterweger als „Häfenpoeten“. Und als Musterbeispiel gelungener Resozialisierung. Unterweger hatte das Buch im Gefängnis geschrieben. Tatsächlich: Nach nur 15 Jahren war er vorzeitig aus lebenslanger Haft entlassen worden. Die Strafe war verhängt worden, weil Unterweger als 24-Jähriger eine junge Frau in einen Wald getrieben und ermordet hatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2019)

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