Konservieren ist besser als rekonstruieren

An Notre-Dame werden Stabilisierungsarbeiten durchgeführt. Bis zum Start der Restauration wird es noch dauern.
An Notre-Dame werden Stabilisierungsarbeiten durchgeführt. Bis zum Start der Restauration wird es noch dauern.APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD
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Gleich nach dem Brand von Notre-Dame wurde eine rasche Restaurierung angekündigt. Dafür benötigt es aber gut ausgebildete Experten – und Zeit für sorgfältige Vorbereitungen.

Der Aufschrei war groß, als Notre-Dame Mitte April in Flammen stand. Frankreichs Staatschef, Emmanuel Macron, zögerte nicht lang, um ambitionierte Wiederaufbaupläne auszurufen. „Notre-Dame ist das Flaggschiff der europäischen Kunstgeschichte und daher auch extrem gut dokumentiert“, sagt Wolfgang Baatz, Vorstand des Instituts für Konservierung und Restaurierung an der Akademie der bildenden Künste. Trotzdem werde es nicht einfach sein, die Kathedrale – wie von Präsident Macron angekündigt – innerhalb von fünf Jahren wiederaufzubauen. Das Problem: Außenstehende sehen im Zuge von Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten in der Regel nur, was physisch passiert. Die intensiven Recherchen, die notwendig sind, bevor man bei einem Objekt Hand anlegt, finden keine Berücksichtigung.

„Vor jedem Eingriff muss eine naturwissenschaftliche, aber auch kunsthistorisch untermauerte Bestandsaufnahme inklusive Schadensbeurteilung vorgenommen werden“, erklärt Gabriela Krist, Leiterin des Instituts für Konservierung und Restaurierung an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Dabei werde festgestellt, welche Materialien und wie viel Orginalsubstanz vorliegen. Dann erst werde eine Konservierungsstrategie definiert. Ziel sei es, vor allem bestandserhaltende Maßnahmen zu setzen und die Originalsubstanz zu berücksichtigen. „Nur in Ausnahmefällen sollte rekonstruiert werden“, sagt Krist.

Änderungen dürfen jedenfalls nur dann vorgenommen werden, wenn es gesicherte Vorlagen gibt oder man weiß, wie der Originalzustand ausgesehen hat. „Dazu gibt es Vorgaben von internationalen Organisationen wie Encore (European Network for Conservation-Restoration Education).“ Bei der geschichtsträchtigen Pariser Kathedrale könnte es schwierig werden, alles originalgetreu wiederherzustellen. Ein Beispiel ist der zerstörte Dachstuhl aus jahrhundertealtem Eichenholz. „Man muss überlegen, ob mit modernen Materialien zur Stabilisierung ergänzt werden darf“, sagt die Expertin.

Fünfjährige Diplomstudien

Wer einen Abschluss in Konservierung und Restaurierung an einem der renommierten Wiener Häuser haben will, muss dafür ebenfalls mehr Zeit aufwenden, als das bei anderen Studien üblich ist. Beide haben nämlich das Bologna-System nicht übernommen, sondern bieten weiterhin Diplomstudien. Die Studiendauer von zehn Semestern ist laut Krist notwendig, um die Studierenden verantwortungsvoll auf das Berufsleben vorbereiten zu können.

In beiden Diplomstudien müssen sich die Studierenden mit einem breiten Themenfeld auseinandersetzen – mit Chemie und Materialwissenschaft ebenso wie geisteswissenschaftlichen Aspekten. „Die Studierenden sollten auch nicht zwei linke Hände haben“, weist Baatz auf die handwerklichen Anforderungen hin.

Ausgiebige Praxis

An diesen Skills können die Studierenden im Praxisteil, der in beiden Studien großgeschrieben wird, arbeiten. An der Angewandten sind für Restaurierungsprojekte – ausschließlich an Originalobjekten – 18 Wochenstunden vorgesehen. Die Akademie der bildenden Künste schreibt 16 volle Arbeitswochen mit jeweils 40 Stunden vor, die außerhalb der Studienzeit absolviert werden müssen.

Während es zwischen beiden Diplomstudien Überschneidungen gibt, sind die Spezialisierungen unterschiedlich. An der Angewandten werden etwa Gemälde, Objekte, Textil und Stein behandelt. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, sich innerhalb der Fachbereiche auf Archäologie und Bodenbefundkonservierung sowie die Konservierung von moderner und zeitgenössischer Kunst zu spezialisieren.

Die Akademie der bildenden Künste bietet die Spezialisierungen Wandmalerei, Papier, Gemälde und Skulpturen, Holz sowie moderne zeitgenössische Kunst an. An beiden Häusern müssen sich die Studierenden für eine Spezialisierung entscheiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2019)

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