Cityfarm jetzt im Augarten: Die Entdeckung des Regenwurms

Kinder wie Erwachsene können in der Cityfarm (hier bei Sonnenschein) den Garten erleben und neue Sorten kennenlernen.
Kinder wie Erwachsene können in der Cityfarm (hier bei Sonnenschein) den Garten erleben und neue Sorten kennenlernen.(c) Valerie Voithofer
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Nach ihrem Umzug aus Schönbrunn ist die Cityfarm mittlerweile im Augarten angekommen. Und führt dort ihre Mission weiter: Menschen ans Gärtnern heranzuführen.

Wien. Kurz ertönt ein Kreischen rund um den Haufen Kompost, den zehn Kinder gerade mit ihren Schaufeln durchwühlen – bevor sie neugierig die Köpfe zusammenstecken und sich genauer anschauen, was da aus der Erde geholt wurde: ein Regenwurm – dick und rosarot und offensichtlich lebendig. „Wer von diesen Kindern hat wohl schon einmal einen Regenwurm in der Hand gehabt?“, fragt Franziska Krebs von der Cityfarm Augarten.

Wenn sich die Kinder, die angesichts des sich windenden Etwas anfänglich noch gekreischt haben, am Ende trauen, den Wurm mit bloßen Händen anzufassen, dann ist ein Ziel des gartenpädagogischen Projekts erreicht: ein Gefühl für die vielen kleinen Dinge zu bekommen, die es braucht, damit etwas wächst – und letztlich dann auch auf dem Teller landen kann.

„Es gibt so viele elementare Erlebnisse, die mit den Pflanzen, dem Boden und dem entstehenden Lebensmittel in Zusammenhang stehen“, sagt Wolfgang Palme. Er leitet die Abteilung für Gemüsebau an der HBLFA für Gartenbau in Schönbrunn und hat dort vor sieben Jahren die Cityfarm gegründet. Sie hat nach ihrem Umzug mittlerweile im Augarten Wurzeln geschlagen – und trotzt dem Regen am heutigen Samstag mit einem ersten großen Fest.

Downloaden geht nicht

Die Cityfarm will Kindern und Erwachsenen in der Großstadt näherbringen, wie Lebensmittel entstehen. Viele Menschen hätten dazu keinen Kontakt mehr, sagt Palme – und das will man ändern: „Einen Garten kann man nicht downloaden, da muss man rausgehen, ein Samenkorn in die Hand nehmen. Das muss man wirklich erleben, das muss man angegriffen haben. Das ist unsere Mission.“

Der neue Standort des Erlebnisgartens, um den drei Jahre lang gerungen wurde, hat dafür einen zentralen Vorteil: die Lage. Zuvor am historischen Areal der Kammermeierei im eher abgelegenen Teil von Schönbrunn gelegen, findet sich die Cityfarm nun mitten im zweiten Bezirk, neben den Sängerknaben – und nur wenige Minuten von der U-Bahn entfernt.

Seit Juli haben Mitarbeiter und Freiwillige gewerkt, um die Cityfarm zu übersiedeln – Pflanzen inklusive: Da ist etwa der Mangold, der jetzt in einem der zehn kreisrunden Beete im Garten der Vielfalt wächst, in dem man auch naschen kann. Da sind die dicken Weiden und die Dirndlsträucher, die tatsächlich alle überlebt haben. „Es ist fast ein bisschen so, als würden die Pflanzen verstehen, dass wir es ernst meinen“, sagt Palme.

Im längsten Hochbeet Wiens – 45 Meter lang – werden heuer 100 verschiedene Paradeisersorten angebaut. Daneben blüht in einem Beet der Borretsch lila, blau und weiß, es wachsen Zierlauch, essbare Taglilien und Sauerampfer – und ein Beet geht über vor ausgewachsenem Kohl, der voller gelber Blüten ist. „Das sieht man sonst ja eher nicht“, sagt Krebs. „Wir zeigen auch die Stadien der Pflanzen, die viele nicht mehr kennen.“

Weiter vorn wird gerade der sogenannte Sitzgarten gebaut, eine von Bäumen umkränzte Vertiefung, in der künftig auch Workshops (für Kinder wie Erwachsene) gehalten werden sollen. Daneben sind 15 Beete mit Erbsen, Spinat oder Salat, die über das ganze Schuljahr hindurch von Schulklassen bestellt werden. „Damit bekommen sie auch ein Gespür für den Jahresrhythmus“, sagt Palme. „Das ist genau das, was vielen fehlt: weil es im Supermarkt sommers wie winters das Gleiche gibt.“

Im Glashaus warten inzwischen Hunderte neue Pflanzen darauf, in die Erde gesetzt zu werden: Neben den vielen Tomaten für das Hochbeet sind da unzählige Arten vertreten – auch ungewöhnliche. Es gibt Artischocken und Spargelbohnen, Basilikum und Salzkraut, Chili, Paprika und Zucchini in verschiedensten Varianten, Speisechrysanthemen und – schon fertig, um ausgegraben und verkostet zu werden: kugelrunde Karotten.

Das Gemüse betrifft alle

Die Übersiedlung ist freilich ein Prozess: Nicht nur der Garten wird sich weiterentwickeln, heuer folgt auch die Renovierung der Gebäude (für die der gemeinnützige Verein noch Sponsoren sucht). Die Mission bleibt jedenfalls: „Gemüse ist etwas, was uns alle betrifft – und das soll in die Breite gehen“, sagt Palme. Was die Regenwürmer damit zu tun haben, das wissen die Kinder inzwischen. Und gekreischt wird auch nicht mehr.

AUF EINEN BLICK

Die Cityfarm ist von Schönbrunn in den Augarten gezogen – und feiert das heute, Samstag, mit großem Fest (von 13 bis 17 Uhr, zwischen Sängerknaben und Porzellanmanufaktur). Das Programm wurde an das Regenwetter angepasst. Das gartenpädagogische Projekt beschreibt sich als Erlebnisgarten der Gemüsevielfalt. Es bietet Workshops für Kinder und Erwachsene, Schulklassen können dort Beete bestellen: www.cityfarm.wien

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2019)

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