Neue Gewaltdebatte nach Spuckvorfall in HTL in Ottakring

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eine eigene Kommission prüft, die Volksanwaltschaft ebenfalls. Das Bildungsministerium überlegt Möglichkeiten, um auffällige Schüler zeitweise aus der Klasse zu nehmen.

Wien. Es sind erschreckende Bilder, die da im Netz kursieren – und die nachhaltig für Aufregung und Verunsicherung sorgen. Dass ein Lehrer der HTL Ottakring einen Schüler anspuckt und von ihm dann gegen die Tafel gestoßen wird, hat eine neuerliche Debatte über Gewalt an Schulen ausgelöst.

Weitere Videos, die inzwischen im Internet aufgetaucht sind, zeigen unter anderem, wie die Jugendlichen den Lehrer umzingeln und wie sie ihm mit einer Trillerpfeife ins Ohr pfeifen. Der Fall beschäftigt mittlerweile die Bildungsdirektion, das Bildungsministerium und die Volksanwaltschaft.

1 Wie kam es zu dieser Eskalation an der HTL Ottakring?

Hier sind zahlreiche Fragen offen. Je nachdem, mit wem man spreche, ergebe sich ein völlig unterschiedliches Bild, sagte Bildungsdirektor Heinrich Himmer (SPÖ) am Montag. Eine unabhängige Kommission soll nun binnen zwei Wochen die Umstände und Hintergründe dieser Handgreiflichkeiten klären – dann soll auch über Disziplinarmaßnahmen für den Lehrer und eventuell weitere Schüler entschieden werden. Mit dem Lehrer soll es schon vor diesem Vorfall Probleme gegeben haben. Er habe sich gegen die Schüler nicht durchsetzen können und sie rassistisch beleidigt. Zugleich soll er von den Schülern schon länger schikaniert worden sein, gerüchtehalber sollen sogar Kollegen beteiligt gewesen sein. Schülervertreter sind der Ansicht, die HTL habe zu langsam reagiert – und online formierte sich eine Gruppe, die den Rücktritt des Direktors forderte. Die Volksanwaltschaft will nun unter anderem ebenfalls prüfen, ob hier ein Fehlverhalten der Schulleitung vorliegt.

2 Wie oft gibt es Handgreiflichkeiten an den heimischen Schulen?

Die Eskalation an der HTL Ottakring ist wohl ein Extremfall. Seit dem Vorjahr wird aber immer wieder über Gewalt an den Schulen diskutiert, angestoßen von Berichten über Lehrer, die von Schülern angegriffen wurden. Die Attacken reichen laut der Lehrergewerkschaft von Online-Mobbing über Drohungen bis zu einem Schlag in die Magengrube. Im Zuge der Debatte wurden auch erstmals Zahlen veröffentlicht. Laut Ministerium gab es vergangenes Schuljahr österreichweit 857 Polizeieinsätze an Schulen – die meisten in Wien und die meisten wegen Konflikten unter Schülern. An den berufsbildenden Schulen in Wien, zu denen die HTL gehören, gab es bei insgesamt 61.500 Schülern im Vorjahr 21 Anzeigen, elf Schüler wurden suspendiert. An den Mittelschulen waren es bei 30.500 Schülern 138 Anzeigen, 145 Suspendierungen.

3 Welche Maßnahmen gegen Gewalt wurden bisher getroffen?

Das Soforthilfetelefon für Wiener Lehrer, das nach einem runden Tisch über Gewalt und nach den Debatten über Gewalt und Integration im Herbst eingerichtet wurde, wird von vielen als eine Scheinlösung kritisiert, ebenso wie die Anti-Gewalt-Broschüren für Lehrer, Eltern und Schüler. Die Arbeit der sogenannten Soforthilfetrupps – das sind gut 20 zusätzliche Sozialarbeiter, die bei Problemen von den Schulen zu Hilfe gerufen werden können – ist im Anlaufen. Sie sind allerdings nur für die Pflichtschulen zuständig – also etwa für Volksschulen und Mittelschulen – und nicht für Schulen wie die HTL.

4 Welche weiteren Reaktionen könnte es jetzt noch geben?

Der Fall in Ottakring gibt der Gewaltdebatte und verschiedensten Forderungen neuen Stoff: Schüler und Lehrer drängen (wieder) auf mehr Unterstützungspersonal an den Schulen, ebenso wie die Neos, die Sozialarbeiter an jede Schule schicken würden. Die FPÖ erneuert die Forderung nach Erziehungscamps für gewalttätige Jugendliche. Bildungsdirektor Himmer denkt laut über mehr Unterstützung für neu und quer einsteigende Lehrer nach – und regt angesichts der Videoaufnahmen an, dass sich die HTL über die Handynutzung Gedanken macht. Im Bildungsressort prüft man angesichts mehrerer Einzelfälle – etwa auch der Lehrerin aus Währing, die jahrelang ihre Schüler gemobbt haben soll – mehrere Dimensionen: von der Rolle der Schulleiter über die sozialen Medien bis zur Möglichkeit, auffällige Schüler für eine Zeit aus der Klasse zu nehmen.

5 Welche Konsequenzen hatte der Vorfall für Lehrer und Schüler?

Der Schüler, der den Lehrer gegen die Tafel stieß, wurde vom Unterricht suspendiert. Der Lehrer ist im Krankenstand und konnte daher bis dato nicht einvernommen werden. Er wurde aber schon vom Unterricht in dieser Klasse abgezogen. Die Direktion der HTL Ottakring hat zudem bereits angekündigt, dass der Mann, der erst im September als Quereinsteiger für Elektrotechnik an die Schule kam – üblicherweise sind das Personen aus der Wirtschaft, zunächst ohne pädagogische Ausbildung –, nicht mehr allein in eine Klasse darf. Sein Vertrag soll für das kommende Schuljahr außerdem nicht verlängert werden. (beba/APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2019)

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