Wissenschaft braucht den Geist der Freiheit

Hierzulande lassen faschistoide Botschaften im Stil des Herrn Karl Wissenschaftler und Künstler nicht allzu üppig werden. Welch Schuss ins Knie!

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Unter Schwarz-Blau gedeihen die Wissenschaften. Es wird viel investiert, allerdings vorwiegend in die Anwendung. Deswegen gibt es auch bei der Qualität der Ergebnisse noch Luft nach oben. Nun wurden endlich die Mittel für die Unis und die Grundlagenforschung aufgestockt. Und im Herbst soll die dringend nötige Exzellenzoffensive von Minister Faßmann kommen. Höchst wichtig auch, dass Mitglieder der Regierung positive Stimmung für die Wissenschaft verströmen: der Kanzler, der zuständige Minister, die Wirtschaftsministerin und mancher Landeshauptmann, allen voran Thomas Stelzer. Denn Topwissenschaftler (und Künstler) sind Mimosen, die ein entspanntes, wertschätzendes Umfeld zur Entfaltung brauchen wie die Luft zum Atmen.

Bei so viel Licht muss man die atmosphärischen Schatten leider nicht lang suchen. Beispielsweise trat eben meine Nachfolgerin die Leitung der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle der Uni Wien in Grünau an. Eine hervorragende Wissenschaftlerin von der australischen Flinders-Universität, die aber ihr Studium auch teilweise in Wien absolvierte. Sie spricht hervorragend Deutsch. Dennoch musste sie, um arbeiten zu dürfen, zur behördlichen Sprachprüfung. Wie dumm und demütigend! Selbst wenn sie nur Englisch spräche, wäre das irrelevant, richten doch die Unis immer mehr Studiengänge in dieser Lingua franca der Wissenschaften ein. Damit wandelt sich die bisherige Germanisierung der heimischen Unis auch langsam in eine echte Internationalisierung. Gut so! Die paranoiden Fremdengesetze mögen ein Grund gewesen sein, warum der Star der heimischen Molekulargenetik, Josef Penninger, nach einigen Jahren Gastspiel in Österreich wieder nach Kanada ging; exzellente Leute sind dort vorbehaltlos willkommen, ohne das Gefühl zu haben, misstrauisch belauert zu werden.

Zunehmend bedrückt unsere aus anderen Ländern kommenden Kollegen das politische Umfeld: So verteidigte Vizekanzler Strache unlängst das rechtsextreme Codewort „Bevölkerungsaustausch“. Ein seltsames Signal auch, dass die Blauen ihren EU-Wahlkampf in rot-weiß-roten Warnwesten (!) abfeiern. Man bekennt sich zu Europa, zu Demokratie und Freiheit, schwelgt aber in der gegenteiligen Symbolik. Man produziert „Einzelfälle“ am laufenden Band und drangsaliert systematisch Journalisten. Damit trifft man aber ebenso die zugewanderten Wissenschaftler. Da droht der FPÖ-EU-Spitzenkandidat vor laufender Kamera dem hart fragenden Armin Wolf offen mit „Konsequenzen“ und der freiheitliche Stiftungsrat entblödet sich nicht, auch noch zu sekundieren. Aber auch der emsige türkise Kulturminister zeiht live einen „ZiB 2“-Moderator, Blödsinn zu reden und schlecht vorbereitet zu sein. Und Hunderten besorgten Unterzeichnern eines Briefs zur Nachbesetzung einiger Stellen im Filmbeirat richtete er in rüde-drohendem Tonfall ihre Inkompetenz aus. Ist all das alles bloß instinktlos, oder sind das Einschüchterungsversuche der Zivilgesellschaft und damit auch der Wissenschaftler? Schade, dass Türkis offenbar von Blau lernt und nicht umgekehrt.

Der „illiberale Demokrat“ Viktor Orbán wirft übrigens gerade eine Uni aus seinem Land. Aber auch hierzulande lassen faschistoide Botschaften im Stil des Herrn Karl Wissenschaftler und Künstler nicht zu üppig werden. Welch Schuss ins Knie!

Kurt Kotrschal, Verhaltensbiologe i. R. Uni Wien, Wolf Science Center Vet-Med-Uni Wien, Sprecher der AG Wildtiere/Forum Wissenschaft & Umwelt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2019)

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