Italien: Salvinis Selfie-Offensive wird zum Eigentor

Matteo Salvini.
Matteo Salvini.(c) REUTERS (GUGLIELMO MANGIAPANE)
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Der Innenminister und Lega-Chef ist auf den sozialen Medien omnipräsent. Nun schlagen seine Gegner zurück – und verwenden dabei ausgerechnet Salvinis virtuelle Eitelkeit als Waffe.

Rom. Giancarlo Cirillo legt den Arm um Matteo Salvini, beide strahlen in die von dem jungen Mann bereitgehaltene Handykamera – eines der üblichen Selfies seiner unzähligen Fans, wird der italienische Innenminister wohl gedacht haben. Gerade hat er einen weiteren Wahlkampfauftritt im Vorfeld der Europawahl hingelegt, diesmal auf der Piazza Portanova im süditalienischen Salerno. „Minister, die 49 Millionen, wo sind die geblieben?“, fragt Cirillo dann aber plötzlich und unverblümt in die Kamera. Er macht kein Foto, sondern ein Video. Und das stellt er später ins Internet. „Die hast du“, sagt Salvini nur und dreht sich genervt weg.

Die Reichweite und Macht des heutigen Lega-Chefs Salvini rühren wohl hauptsächlich aus seiner Präsenz in den sozialen Medien. Kein Tag vergeht, an dem er nicht auf Facebook seine Anhänger mit Live-Videos versorgt, in denen er ihnen seine Politik erklärt und seine Gegner an den Pranger stellt. Mehr als dreieinhalb Millionen Menschen folgen seinem Facebook-Account. Dennoch: Beherrschen kann der 46-Jährige die sozialen Medien nicht. Nach Monaten ungebrochener Salvini-Omnipräsenz haben nun auch andere die Macht der Bilder erkannt und drehen den Spieß einfach um.

Der Hintergrund der frechen Frage von Giancarlo Cirillo: Der Gründer der rechten Lega, Umberto Bossi, war im November vergangenen Jahres wegen Veruntreuung von Parteigeldern zu einem Jahr und zehn Monaten Haft verurteilt worden. 49 Millionen Euro, die die Bossi-Partei veruntreut haben soll, muss die Lega nun zurückzahlen. Man einigte sich auf Ratenzahlung, und Salvini spricht nicht gern darüber.

Bereits Ende April hatten zwei junge Frauen Salvini im sizilianischen Caltanissetta ausgetrickst. Auch sie posierten mit dem Innenminister nach einem Wahlkampfauftritt für ein Selfie. Als er freundlich in die Kamera lächelt, küssen sich die beiden Frauen neben ihm. Salvini tritt gern für die „echte“ italienische Familie ein, wettert gegen die Zivilehe von Homosexuellen und sorgte dafür, dass in Dokumenten nicht mehr „1. Elternteil“ und „2. Elternteil“, sondern wieder „Mutter“ und „Vater“ stehen. Auf den Kuss der Frauen reagierte Salvini noch gelassen: Er teilte das Foto selbst auf seiner Facebook-Seite und schrieb dazu „Alles Gute, Frieden und Liebe, Schwestern“, garniert mit einem Emoticon, das einen Herzchen-Kuss verschenkt.

„Fliehe nicht vor unbequemen Fragen“

Cirillos Filmchen findet sich hingegen nicht auf Salvinis Seite. „Lieber Minister, fliehe nicht vor den unbequemen Fragen der Italiener“, schreibt Cirillo zu seinem Video, das es in Italien bis in die TV-Nachrichten schaffte. „Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich dir noch andere gestellt. Aber gut, so habe ich wenigstens herausgefunden, dass ich Millionär bin, ohne es zu wissen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2019)

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