Anzeige

Am Mythos vom aggressiven Wolf kratzen

Wolf
Wolf(c) Getty Images/iStockphoto (Equilibrium99)
  • Drucken

Was verbindet Mensch, Wolf und Hund miteinander? Diese einzigartige Mensch-Tier-Beziehung wird seit zehn Jahren im niederösterreichischen Ernstbrunn erforscht. Das Resultat: Der Wolf kann viel mehr als gedacht.

Anzeige

Der Wolf und der Mensch: Es ist eine seit Jahrtausenden besondere Beziehung. Nicht nur, weil kein Tier näher dem Homo sapiens ist als der Wolf. Beide sind soziale Wesen und kooperieren gut innerhalb ihres Clans, etwa  bei der Aufzucht des Nachwuchses, der Jagd sowie der Verteidigung. Die Beziehung ist aber auch geprägt von Missverständnissen und Mythen. Und seit seiner Rückkehr in heimische Gefilde polarisiert der freilebende Wolf erneut. Kein Tier beschäftigt die Medien so wie der Wolf. Grimms Märchen geistern wieder durchs Unterbewusstsein. Die Vernunft hat es in der Diskussion über Meister Isegrim manchmal schwer. 

Im Laufe der Zeit hat sich diese spezielle Mensch-Tier-Beziehung durch die Domestizierung  - und damit dem Hund - zu einem spannenden Dreiecksverhältnis entwickelt. Zu einem äußerst erfolgreichen sogar. Schätzungen gehen davon aus, dass es auf der Erde etwa eine Milliarde Hunde gibt, 80 Prozent davon sind freilebend. Wie unterscheiden sich Wolf und Hund in ihrem Verhalten und ihrer Intelligenz? Was ist während der Domestikation passiert? Warum wurde der Hund zum besten Kumpanen des Menschen? "Um den Hund zu verstehen, muss man den Wolf erforschen", meint Friederike Range. Und dies geschieht seit zehn Jahren im niederösterreichischen Ernstbrunn, im Wolf Science Center (WSC), das Range leitet.

Ein falsches Bild vom Wolf

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass Wölfe viel mehr können, als ihnen bisher zugetraut wurde", so Friederike Range. Die in Deutschland geborene Verhaltensforscherin ist Teil des WSC-Gründungs-Triumvirats, zu dem auch Zsofia Viranyi und Kurt Kotrschal gehören. "Als wir angefangen haben, hieß es eher, der tolerante, artige Hund und der aggressivere Wolf", berichtet Range. Durch intensive Forschung konnte das WSC jedoch zeigen, dass der Wolf ein - vor allem gegenüber seinen Artgenossen - tolerantes und kooperatives Tier ist. So frisst bei einem Hunde-Rudel vorerst nur der Dominante. Wölfe hingegen teilen ihr Futter, wobei es dabei viel Kommunikation untereinander - etwa durch knurren - gibt. Ein Zeichen ihres ausgeprägten Konfliktmanagements, während der Hund Konflikten verstärkt aus dem Weg geht. Der beste tierische Freund des Menschen kommuniziert hingegen viel weniger, wodurch wir dem Hund gegenüber viel aufmerksamer sein müssen.

Der Wolf als Besuchermagnet

Das Forschungszentrum in Ernstbrunn hat sich zu einem Win-Win-Projekt entwickelt. Nicht nur für die Wissenschaft, Range wurde für ihre Arbeit mit und über den Wolf 2012 mit einem der begehrten, prestigeträchtigen und mit 1,3 Millionen Euro üppig dotierten Starting Grants des European Research Council (ERC) ausgezeichnet, sondern auch für die Gemeinde. Der Wolf entpuppte sich mit der Zeit nämlich immer mehr zum Besuchermagnet. Mehr als 100.000 Personen kamen letztes Jahr in den Wildpark Ernstbrunn, in dem das Wolf Science Center untergebracht ist.

(c) Getty Images/iStockphoto (Waitandshoot)

Am Anfang war der Affe

Am Anfang von Ranges wissenschaftlicher Arbeit standen jedoch Affen. Für ihr Doktorat hat die Deutsche in den USA mit der Primatenart Rußmangane gearbeitet. Danach war ihr Wunsch, in Europa zum Thema Kooperation zu forschen. Und wenn es um Kooperation geht, ist der Wolf naheliegend. Das Konzept des Wolf Science Centers mit gleich aufgezogenen Tieren zu arbeiten gilt auch heute noch als weltweit einzigartig. Sowohl Wolfs- als auch Hundewelpen werden von Hand aufgezogen, damit sie dieselben Erfahrungen haben. Beide leben in Gehegen mit Artgenossen zusammen, um Hunde und Wölfe objektiv miteinander vergleichen zu können. Auf 20.000 Quadratmeter wird die Partnerschaft zwischen Wölfen, Hunden und Menschen ergründet.

Der Wolf in Kooperation mit dem Menschen

Und die jüngeren Versuche im WSC zeigen, dass nicht nur der Hund, sondern auch der Wolf sehr gut mit dem Menschen zusammenarbeitet, um bestimmte Aufgaben zu lösen. Der große Unterschied: Die Kooperation des Wolfs mit dem Mensch erfolgt auf Augenhöhe. "Der Wolf führt, er initiiert Verhalten, während der Hund folgt", so Range. Das mache den Hund auch zum besseren Haustier. Range konnte diese Erkenntnis in den Anfängen ihrer Wolfsforschung hautnah miterleben. Die ersten Wolfswelpen zogen die drei Gründer in ihren Privatwohnungen mit 24-Stunden-Betreuung auf. Danach fanden die Tiere Aufnahme im Almtal, in einem Ziegenstall ohne Wasser- und Stromanschluss. Die Pionierzeiten des WSC waren geprägt von viel persönlichem und finanziellem Engagement der Gründer. Seit zehn Jahren befindet sich das Forschungszentrum in Ernstbrunn, mittlerweile arbeiten dort mehr als 40 Personen. Die Eingliederung in die Veterinärmedizinische Universität vor zwei Jahren hat die Gründer von der unternehmerischen Verantwortung befreit.

Zukünftig wollen die Forscher am WSC mit Versuchen überprüfen, wie weit ihre Ergebnisse auf die freilebenden Populationen übertragbar sind. Inwieweit sind Haushund repräsentativ für Hunde insgesamt? Und wie sieht es beim freilebenden Wolf aus? Ist er nun Freund oder Feind des Menschen? Die diplomatische Antwort: Je nachdem auf welcher Seite man steht.

Wolf Science Center

Das Wolfsforschungszentrum befindet sich im Wildpark Ernstbrunn. Hier findet man neben unseren Einrichtungen verschiedene Nutz- und Haustierrassen, spannende Wege durch den Wald und tolle Veranstaltungen. 

Besuchen Sie das Wolf Science Center und sehen Sie sich einige der wissenschaftlichen Aktivitäten und Interaktionen mit den Wölfen und Hunden an oder nehmen Sie an einem der spannenden Besucherprogramme teil!

Mehr Informationen finden Sie HIER.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.