Von Rovaniemi nach Bagdad: Mike Pompeos Krisenmission

US-Außenminister Mike Pompeo
US-Außenminister Mike PompeoAPA/AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLD
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Der US-Außenminister reiste statt nach Berlin in den Irak, um vor Anschlagsplänen des Iran zu warnen.

Wien/London. Der kürzeste Weg von Rovaniemi, der Hauptstadt der finnischen Lappland-Region am Polarkreis, nach London führt keineswegs über Bagdad. Doch genau dahin reiste US-Außenminister Mike Pompeo, nachdem er seinen Zwischenstopp in Berlin – es wäre die erste Stippvisite seiner inzwischen einjährigen Amtszeit in Deutschland gewesen – überraschend abgesagt hatte. In einem Telefonat bat er den deutschen Außenminister, Heiko Maas, um Verständnis. Wegen der potenziellen Anschlagsgefahr wahrte das Außenministerium in Washington aber zunächst routinemäßig Verschwiegenheit über das Flugziel.

Die Eskalation der Iran-Krise erzwang die kurzfristige Änderung der Reiseroute des US-Chefdiplomaten. Zu mitternächtlicher Stunde landete Pompeo in der irakischen Hauptstadt, um in der hermetisch abgeriegelten grünen Zone im Herzen Bagdads die Regierung in alarmierende Geheimdienstberichte einzuweihen. In Gesprächen mit Premier Adel Abdul Mahdi, Präsident Barham Salih und Außenminister Mohamed Ali Alkahim referierte er über mögliche Attentatspläne der iranischen Revolutionsgarden oder ihr nahe stehender schiitischer Milizen gegen US-Truppen und US-Einrichtungen im Irak. Es war ein klares Warnsignal in Richtung Teheran.

Einfluss auf Schiiten im Irak

Die Milizen, die in die irakische Armee eingegliedert sind, waren maßgeblich am Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) beteiligt. Über die schiitische Bevölkerungsmehrheit versucht der Iran, seinen Einfluss im Irak auszuweiten. Schmuggelrouten für Waffentransporte führen durch das Land. Erst kürzlich stufte das US-Außenministerium die Revolutionsgarden offiziell als Terrororganisation ein. Die Elitetruppe der al-Quds-Brigaden sind im Irak, in Syrien und im Jemen involviert und unterhalten enge Beziehungen zur Hisbollah im Libanon. Im Irak sind derzeit 5000 US-Soldaten stationiert. US-Geheimdienste haben insbesondere ein mit Raketen ausgestattetes iranisches Boot als Gefahrenquelle ausgemacht.

Rund um den symbolisch aufgeladenen Jahrestag der Aufkündigung des Atomabkommens durch die Trump-Regierung und die Entsendung des Flugzeugträgers USS Abraham Lincoln und einer Bomberstaffel in die Region um den Persischen Golf hat sich der Konflikt zwischen den USA und dem Iran aufgeschaukelt. Die Stationierung diene der Abschreckung, erklärte der US-Außenminister nach seinem vierstündigen Aufenthalt in Bagdad. „Ich hoffe, die Iraner überlegen es sich zweimal, ob sie US-Ziele angreifen.“

Zurück zu einer „normalen Nation“

Zudem versuchte Pompeo, die irakische Regierung davon zu überzeugen, die Abhängigkeit vom Iran im Energiebereich zu reduzieren und stattdessen eine Kooperation mit Jordanien und Ägypten einzugehen. Im Juni läuft die Ausnahmegenehmigung für den Irak aus, Elektrizität aus dem Iran zu importieren. Der Irak ist gerade selbst dabei, zwei große Ölfelder zu erschließen.

Der Iran müsse wieder eine „normale Nation“ werden, lautet die US-Diktion. Bei einer Pressekonferenz in London mit dem britischen Außenminister Jeremy Hunt war Pompeo zwar darum bemüht, die Kriegsgefahr mit dem Regime in Teheran zu dämpfen. Er bekräftigte jedoch neuerlich den Vorwurf gegen den Iran wegen Destabilisierung des Nahen Ostens und des Terrorrisikos für Israel. Der Warnung des US-Außenministers vor einer Wiederaufnahme des Nuklearprogramms an den Iran schloss sich auch Hunt an, obwohl er die Differenzen in der Iran-Diplomatie zwischen den USA und den Alliierten betonte.

Mike Pompeo sollte in London Donald Trumps Staatsbesuch Anfang Juni vorbereiten, und im Zuge der Brexit-Turbulenzen ließ er in einer Rede die besonderen Beziehungen zwischen den USA und Großbritannien wieder aufleben. Anders als sein Vorgänger, Rex Tillerson, agiert der frühere CIA-Chef Pompeo ganz im Sinne des Präsidenten. Das Regime in Nordkorea lehnt ihn als Chefverhandler neuerdings ab, doch Pompeo genießt Trumps Vertrauen – als diplomatischer Drahtzieher im Konflikt in Venezuela, als entschiedener Gegenpart zu Russlands Außenminister Sergej Lawrow und zu China und als Erfüllungsgehilfe in der Umweltpolitik, der sich bei der Arktis-Konferenz in Rovaniemi gegen die Aufnahme des Worts „Klimawandel“ in das Schlussdokument sperrte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2019)

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