Haftentlassung – dann „Lebenslang“

Der Angeklagte Alfred U. (64) mit seiner Anwältin Astrid Wagner.
Der Angeklagte Alfred U. (64) mit seiner Anwältin Astrid Wagner.APA/GEORG HOCHMUTH
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Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Einweisungen in Anstalten für geistig abnorme Rechtsbrecher: Ein 64-jähriger Wiener kam aus einer solchen Anstalt frei und tötete eine Frau.

Wien. Diese Form der Tatbegehung sei „weltweit sehr, sehr selten“, erklärte am Mittwoch der gerichtlich bestellte psychiatrische Gutachter Peter Hofmann. Gemeint war die Ermordung der 28-jährigen Geheimprostituierten S. aus Ungarn durch den Wiener Alfred U. (64). Tatort war die Wiener Wohnung von U. Tatzeit: 29. März 2018. Das Opfer war nach der Tat zerstückelt worden – auch Kannibalismus spielte eine Rolle. Nun erhielt U. die Höchststrafe.

Nach nur kurzer Beratung entschieden die Geschworenen einstimmig auf „Lebenslang“ wegen Mordes und Störung der Totenruhe. Zudem wurde U. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Der 64-Jährige hatte sich voll schuldig bekannt. Seine Anwältin Astrid Wagner hat Strafberufung angemeldet.

Der Zuschauerandrang im Straflandesgericht Wien war so groß, dass viele Leute mangels Sitzplätzen weggeschickt werden mussten. Bekannt geworden war der Fall im April vorigen Jahres. Damals waren Leichenteile im Neusiedler See von einem Fischer gefunden worden. Nach Ermittlungen in Österreich, Ungarn und der Slowakei konnte schließlich die Identität des Opfers ausgeforscht werden. Dies gelang nur anhand von DNA-Spuren, da die menschlichen Überreste stark entstellt waren (so war das Opfer unter anderem skalpiert worden).

Von Richterin Christina Salzborn nach seinem Motiv befragt erzählte U. – ein großer, grauhaariger, gebrechlicher Mann, dass ein Streit um die Art der Dienste der von ihm in die Wohnung geholten Prostituierten S. entstanden sei. Da die Frau laut geworden sei, habe er sie gewürgt. „Damit sie Ruhe gibt.“

„Sie hat nicht mehr geschrien“

Er habe dann den Griff gelockert. S. habe erneut ihre Stimme erhoben. „Dann habe ich solange zugedrückt, bis sie nicht mehr geschrien hat.“

Danach folgte das Zerstückeln der Leiche, welches die gerichtsmedizinische Sachverständige Elisabeth Friedrich in Staunen versetzte. Sie habe jahrzehntelange Berufserfahrung, aber eine so sorgfältige Vorgangsweise habe sie noch nie erlebt. „Das Zerlegen muss stundenlang gedauert haben.“ U. bestätigte dies.

Der Fall befeuert nun erneut die schwelende Debatte um die Einweisungen von Rechtsbrechern. Derzeit befinden sich in Österreich mehr als tausend Personen in geschlossenen Anstalten, also im sogenannten Maßnahmenvollzug. Tendenz steigend.

Entwürfe zu einem neuen Vollzugsgesetz liegen seit Jahren vor. Einer der Schwerpunkte der Novelle soll der Ausbau des Mehraugenprinzips sein. Nicht nur ein Richter (im gegenständlichen Fall war es ohnedies ein Senat) soll über Einweisung oder Entlassung entscheiden dürfen. Auch sollen bei diesen Fragen jeweils ein klinischer Psychologe und ein Psychiater zugezogen werden. Ob der vorliegende Fall mit den geplanten Regeln verhindert worden wäre, ist aber fraglich. Denn Alfred U. war bereits vor dem Mord einmal acht Jahre und einmal neun Jahre im Maßnahmenvollzug – parallel dazu musste er auch mehrjährige Haftstrafen verbüßen.

„Charme des Psychopathen“

Die Taten, die er begangen hatte, waren höchst einschlägig: Immer waren junge Frauen die Opfer. Immer ging es um schwere sexuelle Gewalt. Zuletzt wurde er im Oktober 2016 bedingt (Probezeit: zehn Jahre) aus der „Maßnahme“ entlassen. „Nach mehreren Anhörungen und der Zustimmung von Ärzten und der zuständigen Justizanstalt und unter Erteilung der Weisung auf Bewährungshilfe“, wie die Richterin nun erklärte. Letztlich hatten ein Psychologe und ein Psychiater grünes Licht für die Freilassung gegeben.

Nun attestierte Gerichtspsychiater Hofmann bei U. das Vorliegen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung. Unter anderem „mit der Neigung zu Aggressionsdurchbrüchen“. Die 2016 erfolgte Entlassung aus der Anstalt erklärte der Experte auch mit dem „Charme des Psychopathen“. U. habe wie ein älterer, freundlicher Mann gewirkt. U. selbst sagte noch, der Tod von S. tue ihm leid. Aber: „Mein angestauter Frust hat sich auf sie entladen.“ Das Opfer hinterlässt einen elfjährigen Sohn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2019)

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