Polizei rüstet auf: Stärkere Munition ab 2020 im Einsatz

Neue Munition findet sich künftig in der Polizei-Standardwaffe Glock 17.
Neue Munition findet sich künftig in der Polizei-Standardwaffe Glock 17.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Um auch „Terrorlagen gerecht zu werden“, schafft Österreichs Exekutive für die Dienstwaffen Deformationsmunition an.

Wien. Es gebe eine „höhere Wahrscheinlichkeit einer schnelleren Herbeiführung der Wirkung“ – Letztere sei freilich abhängig von der Lage des Treffpunkts, dem Schusskanal „sowie den physischen und psychischen Eigenschaften der getroffenen Person“. Die Rede ist von Munition. Konkret: von neuer Munition für die Schusswaffen der österreichischen Polizei. Ab der ersten Jahreshälfte 2020 soll diese angeliefert werden.

Es handelt sich um sogenannte Deformationsmunition – diese setzt mehr Energie im Körper der getroffenen Person frei. Laut Innenressort „benötigt die Polizei die neue Einsatzmunition, weil sie den höchsten Anforderungen beispielsweise im Falle von Terrorlagen gerecht wird“.
In Kürze soll die Ausschreibung starten. Munition für vier Jahre soll angeschafft werden. Kosten: zirka 800.000 Euro; Bedarf: ungefähr 1,6 Millionen Stück – für die Faustfeuerwaffe Glock 17 und die Maschinenpistole Steyr MP 88.

Damit geht also das Aufrüsten der Exekutive weiter. Zuletzt waren 24.000 Schutzwesten und 3400 Langwaffen gekauft worden.
FPÖ-Innenminister Herbert Kickl: „Mit der Einführung einer neuen Einsatzmunition reagieren wir auch auf die gestiegene Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten.“ Sieht man sich die aktuelle Kriminalstatistik an, so ergibt sich ein differenziertes Bild. Im Zehn-Jahres-Vergleich sind Anzeigen wegen der typischen gegen die Polizei gerichteten Delikte gestiegen. Dabei handelt es sich um die Tatbestände „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ und „Tätlicher Angriff auf einen Beamten“.

Fast 2000 Anzeigen

2009 wurden insgesamt 1548 Anzeigen gezählt. Diese Zahl bewegte sich bis 2015 nur wenig auf und ab. 2016 stieg sie deutlich – auf 1973 Anzeigen. Am höchsten war sie 2017 mit 2011 Anzeigen. Im Vorjahr gab es einen Rückgang um 4,5 Prozent auf 1920 Anzeigen. Auffällig ist, dass es speziell bei Verdacht des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt ein Anzeigenplus von satten 20 Prozent gab.

Laut Aufzeichnungen des Innenressorts sind voriges Jahr „durch fremde Gewalteinwirkung“ 1054 Polizisten verletzt worden, 62 davon schwer. Zuletzt gab es im Schnitt um die 70 polizeiliche Schusswaffeneinsätze pro Jahr (davon jeweils nur ein sehr kleiner Teil gegen Personen).

Wie sieht es nun mit den Eigenschaften von Deformationsmunition aus? Geschosse für Gewehre und Faustfeuerwaffen werden seit Ende des 19. Jahrhunderts häufig als Vollmantelgeschosse erzeugt: ein Bleikern, der die Wucht verleiht, ganz umhüllt von hartem Metall; das schützt den Lauf der Waffe vor Blei-Abrieb sowie den Kern selbst und erhöht insgesamt die Durchschlagskraft.

Allerdings kommen solche Geschosse im Ziel leicht von der Bahn ab und richten größere Schäden an. Schlagen sie glatt durch, können sie weitere Personen treffen oder etwa Flugzeugwände durchbohren; zudem wird bei Durchschüssen relativ wenig Energie frei, das Ziel kann weiter aktiv bleiben, es mangelt an „mannstoppender“ Wirkung. Lässt man den Metallmantel an der Spitze weg und den Bleikern dort frei, entsteht ein Teilmantel- bzw. Deformationsgeschoss. Beim Aufschlag wird das Blei in die Breite gequetscht („aufgepilzt“, es gleicht dann einem Pilz). Das Geschoss wird stärker abgebremst, mehr Energie wird frei, aber ein Durchschuss bleibt meist aus. Die Eindringtiefe ist viel geringer als beim Vollmantelprojektil.

Zerlegter Bleikern

Aber: Die Verwundung kann schwerer sein, speziell, falls der Bleikern sich zerlegt – man kennt dies als „Dum-Dum-Munition“, daher ist Teilmantelmunition für Kriegswaffen (Gewehre) geächtet. Moderne Teilmantelkugeln aber, die viele Polizeieinheiten benützen, bleiben kompakt; und da Pistolenmunition auch weniger Energie als Gewehrmunition entwickelt, gelten die Verwundungen als „beherrschbar“ und „akzeptabel“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2019)

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