Widerstand: Mit Flashmobs gegen Abschiebungen

(c) Michaela Bruckberger
  • Drucken

Zunehmend kämpfen österreichische Aktivisten gegen die Ausweisung von Asylwerbern – im Fall eines nigerianischen Fußballers auch mit spontanen Kundgebungen.

Wien. 200 Demonstranten, die um einen Polizeiwagen sitzen, um damit eine Abschiebung zu verhindern. Spontan entstanden, koordiniert über SMS, Facebook und Twitter – und nicht als Demo angemeldet. Diese flashmobartige Form des Widerstands hat vergangenen Donnerstag in Österreich Einzug gehalten.

Die Aktivisten formierten sich, nachdem die Polizei bei einem Spiel des „FC Sans Papiers“ auf der Hernalser Marswiese mehrere Spieler festgenommen hatte. Zwei Nigerianer, gegen die schon länger Abschiebebescheide vorliegen, wurden in Schubhaft genommen. Als das Gerücht aufkam, dass einer davon sofort abgeschoben werden sollte, verhinderten die Demonstranten die Abfahrt des Polizeiwagens vor dem Hernalser Polizeianhaltezentrum und lösten damit ein Verkehrschaos aus.

„Das sind keine Illegalen, die Überfälle planen, die spielen Fußball“, sagt Sebastian Kugler, einer der Aktivisten. Mit Handzetteln mit Informationen und Plänen für das weitere Vorgehen organisierte man sich. Die Polizei scheint man mit dem spontanen Protest jedenfalls auf dem falschen Fuß erwischt zu haben – erst nach mehr als zweieinhalb Stunden hatten die Beamten die Kundgebung aufgelöst. 42 Aktivisten wurden kurzfristig festgenommen, gegen sie wurden mehrere Anzeigen erstattet.

„Solche Aktionen kosten Geld“

Dass man Abschiebungen durch Proteste wie diese nicht einfach verhindern könne, sei klar, sagt Aktivist Andreas Görg: „Wir sind realistisch.“ Aber: „Solche Aktionen kosten Geld“, meint Görg. Auf diese Weise wolle man „die Regierung dazu bringen, die Menschenrechte, die Freiheit, zu wahren. Im Moment werde sie mit Füßen getreten.“ Um wie viel Geld, verursacht durch Überstunden der Polizeikräfte, es tatsächlich geht, darüber will man beim Bundeskriminalamt allerdings keine Auskunft geben.

Für das Team von „FC Sans Papiers“, das vor allem aus Aslywerbern besteht, sind die Demonstranten jedenfalls Helden, die sich im Kampf gegen die Staatsgewalt für ihre Sache eingesetzt haben. Es muss aber nicht immer so spektakulär zugehen – zuletzt gab es mehrere Fälle, bei denen Menschen für den Verbleib von Asylwerbern kämpften.

Im Vorarlberger Röthis sogar mit Erfolg – dort versammelten sich Ende Februar Dutzende Einwohner vor dem Haus einer Familie aus dem Kosovo und konnten damit die geplante Abschiebung verhindern. Vorläufig zumindest, der Fall wird nun erneut geprüft.

Weniger Erfolgsaussichten hat eine Internetpetition, die von Winzendorf-Muthmannsdorf (Bezirk Wiener Neustadt-Land) ihren Ausgang nahm. Rund 11.500 Menschen haben mittlerweile dafür unterzeichnet, dass eine kosovarische Familie wieder zurück nach Österreich kommen darf – die Familie sei bestens integriert, der neunjährige Sohn sogar eine Stütze der örtlichen U11-Fußballmannschaft gewesen.

Dass ganze Ortschaften für den Verbleib von Familien kämpfen, ist ein Phänomen, das 2007 erstmals auftauchte. So demonstrierten die Einwohner von Frankenburg für die von der Abschiebung bedrohte Arigona Zogaj, und in der Mühlviertler Gemeinde Pabneukirchen setzte sich der Gemeinderat in einer Resolution an das Innenministerium für eine Familie aus dem Kosovo ein.

Der Inhalt der Proteste beim Fall des nigerianischen Fußballers – einen konkreten Termin für seine Abschiebung gibt es laut Polizei noch nicht – ist ähnlich, nur die Form ist anders. Der Flashmob als asylpolitische Willensäußerung hat seine Premiere gefeiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 4. Mai 2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Anti-Schubhaft-Demo

Hupkonzert in Wien

Österreich

Koordinator für Menschenrechte: „Vorgehen korrekt“

Friedrich Kovar, oberster Hüter der Menschenrechte in der Wiener Polizei, im „Presse“-Interview.
Österreich

Ganztags-Demo legt halb Wien lahm

Katz-und-Maus-Spiel mit der Wiener Polizei.
Abschiebung zweier Nigerianer weitere
Wien

Abschiebung zweier Nigerianer - weitere Demos geplant

Die beiden Nigerianer, die am Donnerstag festgenommen wurden, wurden am Dienstagabend abgeschoben. Rund 200 Menschen demonstrierten auf der Rossauer Lände gegen die Abschiebung.
Österreich

Asylwerber: Österreich weit über EU-Durchschnitt

In der EU kommen auf eine Million Einwohner 520 Asylwerber, in Österreich sind es 1890. Übertroffen wird diese Quote nur von vier anderen Mitgliedsstaaten. Auch in absoluten Zahlen ist Österreich über dem Durchschnitt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.