„The Parents’ Bedroom Show": Spionieren im Elternbett

(c) Jürgen Teller
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Elisabeth von Samsonow und Juergen Teller zeigen in Venedig eine Ausstellung zu ihrer Münchner Performance „The Parents’ Bedroom Show".

Die Zuschauerinnen haben sehr gelacht, als ich den BH über den Skianzug gestreift und zu ,I’m Free‘ von The Who auf dem Bett getanzt habe", erzählt Elisabeth von Samsonow über eine Szene ihrer „Parents‘ Bedroom Show." „Der erste BH, das war einmal so ein Initiationselement." Samsonow hat lang gesucht, um den richtigen BH zu finden: Schön altmodisch sollte er sein, ein Teil aus den 1950er-Jahren hat sie aufgetrieben, in hautfarbig-glänzendem Stoff. Eine von zahlreichen „physischen Archivalien". „Mich als Bildhauerin interessieren körperliche Sachen, die einen emotionalen Wert transportieren", erklärt die Künstlerin.

So entstand auch die Idee zur „Parents’ Bedroom Show", einer Performance, die im Februar 2018 gemeinsam mit dem Fotografen Juergen Teller in der Münchner Maximilianstraße stattfand. „Das Elternschlafzimmer war für mich immer etwas Geheimnisvolles. Und an den Schlafzimmermöbeln hängt viel Emotion." Von Samsonow, die in der Nähe von München aufgewachsen ist, erinnert sich noch genau an die Schlafzimmereinrichtung ihrer Eltern. „Das waren Schleiflackmöbel." Für die Performance hat sie Möbel vom Dachboden ihres Elternhauses genommen, „wahrscheinlich die Betten meiner Großeltern, denn sie stammen aus den 1930er-Jahren."

Bushaltestelle. Das Elternbett ist wandelbar.
Bushaltestelle. Das Elternbett ist wandelbar.(c) Jürgen Teller

Fotos am Leintuch. Um den Ursprung der Zeit geht es in der Vorstellung. „Wann fängt meine Zeit an? Was die Eltern tun, um einen herzustellen, ist deren Sache, aber nicht nur. Es ist ein intimer Punkt und ein allgemeiner Punkt. Wann leben die Eltern, wie verwickelt sind sie in die Geschichte, in die politischen Verhältnisse. Die Show hat einen persönlichen und einen politischen Aspekt." Ganz bewusst wählten von Samsonow und Teller den Platz für die Performance. „In der Maximilianstraße gab es in den späteren 1920er-Jahren Nazi-Aufmärsche und in jüngerer Zeit Pegida-Demos." Alte Fotos hat Samsonow aufgestöbert, sie spielen in der Performance genauso eine Rolle wie Softpornobilder aus den 1930er-Jahren. Sobald die letzte Decke des Betts angezogen worden ist, sieht man die Fotos: Von Samsonow hat sie aufs Leintuch genäht. Juergen Teller hat die Performance in der Maximilianstraße fotografiert. Er war Fotograf, aber gleichzeitig auch Performer. „Die Zuseher haben gleich wahrgenommen, dass nicht irgendein Fotograf durch die Performance latscht. Juergen Teller hat sich sehr schnell eingefühlt. Er hat mit dem Handy fotografiert, um nicht zu einschüchternd zu sein. Er hat auch eine gute Selektion daraus genommen. Wenn man die Fotos sieht, versteht man die Performance", sagt von Samsonow. Die Fotos sind jetzt in einer Schau bei der Biennale von Venedig zu sehen: „Elisabeth von Samsonow & Juergen Teller: The Parents’ Bedroom Show" am Spazio Ridotto, vier Minuten vom Markusplatz entfernt. Kurator ist Christian Bauer, künstlerischer Direktor der Landesgalerie Niederösterreich. Parallel dazu zeigt die Galerie Jünger in Wien neue großformatige Arbeiten von Elisabeth von Samsonow unter dem Titel „She‘s got it".

Explosiv. Skizzen von Elisabeth von Samsonow ergänzen die Ausstellung in Venedig.
Explosiv. Skizzen von Elisabeth von Samsonow ergänzen die Ausstellung in Venedig.(c) Zeichnung: Elisabeth von Samsonow

Verheißung von Wärme. Doch zurück nach München: Die rund 30-minütige Performance fand im Februar bei Eiseskälte in der Dunkelheit statt. Elisabeth von Samsonow trat im rosa Skioverall auf. „Es war besonders schön, weil es so kalt war. Dieses Schlafzimmer, das wir mitten auf der Straße aufgebaut haben, war so eine Verheißung von Wärme, ein Versprechen von etwas Molligem." Zunächst gab es eine investigative Phase, da wurde das Bett genau inspiziert, schließlich auseinandergenommen, ausgeklopft und schließlich umgebaut. Etwa zu einem Käfig, einem Steg, einem Scanner oder einem Buswartehäuschen. In Letzterem sitzen Samsonow und Teller, dazu ist das „Rheingold"-Vorspiel zu hören.

Performance. Der Platz für die Vorführung in München war sehr bewusst gewählt.
Performance. Der Platz für die Vorführung in München war sehr bewusst gewählt. (c) Jürgen Teller

Elisabeth von Samsonow (der Adelstitel kommt von ihrem ersten Mann, einem Russen) sieht sich als feministische Künstlerin. „Die feministische Kritik am Feminismus lautet, dass da immer nur Sex und Körper im Zentrum stehen. Ich will das Politische nicht ausblenden. Deswegen stehen Softpornos und Politik nebeneinander." Auch der Tod ihres Vaters vor zwei Jahren hat von Samsonow beeinflusst. „Mein Vater war ein toller, selbstbewusster Handwerker, ein Schmied. Er ist vor zwei Jahren gestorben. Er wird gesucht in dem Bett. Es stellt sich ja auch die Frage: Was soll man mit Betten machen, wenn einer fehlt? Betten sind ja auch Codes für Leute." Von Samsonows Mutter war zwar nicht bei der Show, kannte aber die Ausgangslage. „Sie fand es cool und hat es überhaupt nicht als Übergriff empfunden." In der Show spielt auch das Lieblingslied der Mutter eine Rolle: „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen" von Zarah Leander.

Tipp

„The Parents’ Bedroom Show". Elisabeth von Samsonow und Juergen Teller, Spazio Ridotto, Venedig. Bis 31. Juli 2019. „She‘s got it", Galerie Jünger, 4, Paniglgasse 17a, bis 9. Juni.

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