Küchenpsychologie: Plattform der Selbstdarstellung

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Nicht nur zum Essen pflegen Menschen eine emotionale Beziehung. Sondern auch zu den Orten, an denen sie es zubereiten.

Längst ist es durchgesickert. Die Küche ist alles. Erweitertes Wohnzimmer, Kommunikationsort, Feuerstelle, Aufenthaltsraum. Und dabei immer vor allem auch eines: die Show-Bühne. Auf ihr outet man sich gern. Als Feinspitz. Als Early Adopter von Küchentrends. Hier stellt man zur Schau: am liebsten den eigenen Geschmack. Nicht nur jenen der Zutaten. Sondern vor allem auch, womit man sich ästhetisch gern umgibt. Hat man genug Platz und Budget, dann kann man Show-Bühne und Backstage-Bereiche, in denen dann wirklich Fett spritzt und Kräuter fliegen, voneinander trennen. Ansonsten erledigt man beides, das Schaukochen und das Zwiebelschneiden, auf einer Fläche.

Die Salzburger Designerin Barbara Gollackner hat gemeinsam mit ihrem Bruder, dem Tischler Paul Gollackner, dafür eine besondere Plattform der Selbstdarstellung entwickelt. Auf ihr holt man sich die „Likes" nicht über Herzchen oder Daumen, sondern über staunende Blicke. „Fetisch" tauften sie den Küchenblock, der vor allem eine Aufgabe übernimmt: Alles in einem zu sein. Nicht viel Platz braucht die Küche dabei. Dafür nimmt sie sich umso mehr Raum, um zu wirken. „Ein Möbelstück, das alle Basisfunktionen in sich aufnimmt", beschreibt Barbara Gollackner das Briefing. Und nach so einigen technischen Tüfteleien hat man allen Anforderungen auch eine dunkle-elegante Ästhetik, die durchaus zart anmutet, abgerungen. „Fetisch" bringt nicht nur sprachlich die Beziehung des Menschen zur Küche auf den Punkt, sondern auch gestalterisch. „Wir wollten es auf alle Fälle monolithisch und skulptural geraten lassen", sagt Gollackner. Spüle, Backofen, ein kleiner Kühlschrank und ein Kochfeld, das architektonisch imposant auskragt, alles steckt drin. In Haushalten kann sich Gollackner die Küche genauso gut vorstellen wie in Unternehmen, die ihre Haltung und Attitüde auch gern mal in die Auslage stellen, wie Werbeagenturen etwa. Und wenn schon „Schauküche", dann gern auch mit extra „Bling"-Faktor. Die Armaturen sind in Gold gehalten.

Farbenspiel. Dezente Zurückhaltung ist auch nicht der Gestus jener Küche, die Martin Steininger zuletzt während des Salone del Mobile in Mailand präsentierte. Das Modell „Fold" startet mit einer klaren Ansage: Keine große „Story", sondern „Statement" will sie sein. Reduktion auf das Wesentliche heißt hier Reduktion auf den imposanten Eindruck. Dass sich auch funktionale Intelligenz im monolithischen Körper versteckt, vernebelt beinahe der blendende visuelle Eindruck. Denn das geometrisch fraktal geschnittene Volumen ist ummantelt mit einer gold schimmernden Tombakoberfläche. So hebt sich „Fold" nicht nur formal vom Boden ab – in Richtung eines ästhetischen Schwebezustands, sondern vor allem auch farblich.

Spätestens seitdem die Küche außer Werkraum auch Wohnraum ist, kann man auch die etwas offensivere Farbgestaltung nicht mehr aus der Kochzone ausschließen. Die Firma Popstahl aus Berchtesgaden mit Wurzeln in Berlin breitet für mutige Küchen-Entscheidungen sogar die gesamte RAL-Palette aus 200 Farben an Möglichkeiten aus. Die Farbe wird auf Stahl pulverbeschichtet. Damit die Küche auch zum visuellen Entertainment wird. Und man nicht nur die Gerichte genießt, sondern auch die ganze Aufmerksamkeit der Gäste.

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