Sauerkraut und Kängurus in den Adelaide Hills

Terrain. Karges Gelände und guter Boden für Weinbau eng beieinander.
Terrain. Karges Gelände und guter Boden für Weinbau eng beieinander.(c) Nathan Dyer
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Als „verkehrte Welt" wurde Hahndorf in den Adelaide Hills zur Touristenattraktion Südaustraliens – für Exotik sorgt hier nämlich das deutsche Auswanderer-Erbe. Was den Besuch der Enklave für Österreicher speziell macht.

„Wir sind keine Nachkommen von Sträflingen", stellt Amanda Longworth gleich zur Begrüßung klar. Die Managerin der Weinbauvereinigung von Barossa Valley verweist stolz auf die Gründung der Provinz Südaustralien durch private Initiativen wie jene von George Fife Angas. Er warb um Siedler für das von ihm gekaufte Land, ein Achtel der jungen Kolonie um 1840 stellten deutsche Auswanderer.

Longworth erklärt Gästen die Gegend gern von Mengler’s Hill aus, denn dort befindet sich auch das Denkmal für die Gründer des weltbekannten Weingebiets Barossa. Und der Blick fällt nicht nur auf den Park namens „Kaiser Stuhl", sondern auch auf „Eden" und die Adelaide Hills. Dort befindet sich die Zeitkapsel der deutschen Kultur, bevor sich die Schatten zweier Kriege darauf legten: Fachwerkhäuser, gottesfürchtige Bauern mit langen Vornamen und einer Vorliebe für Bier und Wurst nach Feierabend. Das lieben die Gäste – immerhin eine Million pro Jahr – an Hahndorf. Die Siedlung geht auf einen Transport schlesischer Auswanderer zurück, der 1838 in Adelaide anlegte. Die 187 ehemals preußischen Untertanen („alle in blühender Gesundheit", wie Kapitän Dirk Hahn festhielt) wollten an ihrer altlutherischen Religion festhalten. Von Altona aus folgten sie dem Ruf George Angas’.

Fülle. Am Hügel wachsen mehr Erdbeeren, als es für Marmelade braucht.
Fülle. Am Hügel wachsen mehr Erdbeeren, als es für Marmelade braucht.(c) South Australian Tourism Commission/Adam Bruzzone

Disney-Deutschland. In der neuen Heimat zieren daher biblische Namen wie Nain oder Bethany ihren Weg – und noch 1908 wurde in Lobethal ein Grabstein für Heinrich Gottlob Thomas mit deutscher Inschrift aufgestellt. Friedhöfe wie dieser oder der „Zum schmalen Weg" in Hahndorf sind ein Teil des echten deutschen Erbes in Südaustralien, das während der Weltkriege auch bewusst unterdrückt wurde. Hahndorf wurde dann auf Ambleside umbenannt. Doch wie der Brite George Angas in Angaston wurde auch der sprachkundige Kapitän Hahn, der die Siedler bei der Landnahme unterstützt hatte, wieder zum Namensgeber.

Davon ist heute weniger zu hören im „oldest Germanic village in the Southern hemisphere", wenn rund um die 49 originalen Fachwerkhäuser Polka gespielt wird und Souvenirs vom Birkenstock-Schuh bis zur Lederhose verkauft werden. Im Arco-Bräu fließt das Bier in Steinkrüge, und auch Manner-Schnitten gibt es. Der Shop mit den Känguru-Leder-Hüten wirkt fast verloren unter all den deutschen Läden, die Schlesiens Auswanderer posthum zu bayrischen Oktoberfest-Zelebranten umdeuten. Vor allem chinesische Touristen können angesichts der riesigen Bauernschmaus-Portionen (hier „German Mi- xed Grill" genannt) und der Weißwürste nicht zu fotografieren aufhören.

Atelier. Gum trees inspirierten den Landschaftsmaler Hans Heysen.
Atelier. Gum trees inspirierten den Landschaftsmaler Hans Heysen.(c) Beigestellt

Wein- und Wurstpioniere. Ort des Geschehens ist „The Haus", das trotz der Größe beste Qualität bietet. Ein Großteil der Fleischberge – darunter die „Garlic Mettwurst" – kommt vom lokalen Anbieter Max Noske & Söhne, die Weinkarte schöpft aus dem Vollen. Schließlich hat sogar einer von Australiens teuersten Weinen, der um 700 Euro die Flasche gehandelte „Hill of Grace", seine Wurzeln in Schlesien: „Wir feiern heuer 150 Jahre, der erste Wein wurde 1868 für die Gnadenberg-Kirche abgefüllt", erzählt Prue Henschke.

Tradition. Bier nach deutscher
Tradition. Bier nach deutscher (c) Beigestellt

Die Familie stammt ursprünglich aus dem Örtchen Kutschlau, die neuerbaute Kirche in Südaustralien war so etwas wie das Zentrum der Aussiedler. Von den sieben Hektar des Weinguts, darunter wurzelechte Shiraz-Pflanzungen, die über 100 Jahre alt sind („unsere Großväter" nennt sie Henschke), sieht man stets zur Kirche. Mitten in den Reben, die man nur nach einem Fußbad gegen etwaig aus Europa eingeschleppte Rebläuse besichtigen kann, findet sich auch das Alte Postamt. „Hier hat Nicolaus Stanitzky die ersten Weintrauben gepflanzt", es war ein halbes Hektar Shiraz, der bis heute den Ruhm von Henschke ausmacht. Stephen Henschkes Deutsch ist allerdings aufgrund des Önologie-Studiums in Geisenheim makellos, „das Barossa-Deutsch ist hingegen ein wenig altertümlich", meint der Winzer in fünfter Generation.

Dafür haben sich kulinarische Traditionen erhalten: Neben Sauerkraut wird auch Kirschenlikör angesetzt, und die Maroni von den mächtigen Bäumen am Weingut werden geröstet. „Das kennt man sonst in Australien nicht so", so Prue Henschke. Dazu gibt es mitunter Lamm von den Nachbarn, der Familie Angas, den direkten Nachfahren des Gründers der „Südkolonie", wie Südaustralien damals hieß. Die Landnahme lief hier so ab, wie sich der kleine Maxi den Wilden Westen vorstellt: Wer mit seinem Clan ein Dorf gründete, benannte es. Seppeltsfield etwa, im Herzen des Barossa Valleys gelegen, geht auf Joseph Ernst Seppelt zurück. Hahndorf auf Kapitän Hahn, der den weltfremden Pilgern bei den Verträgen half und dolmetschte. Und die lückenlose Geschichte lässt sich auch vermarkten: Über 100 Jahrgänge Portwein machen es möglich, bei der Seppelt’s Winery seinen jeweiligen Geburtsjahrgang aus dem Fass zu kosten.

Mahlzeit. Sieht nach deutscher Brotzeit aus, ist aber made in Australia.
Mahlzeit. Sieht nach deutscher Brotzeit aus, ist aber made in Australia.(c) Beigestellt

Die Pizza-Kirche. Wen so viel (deutsche) Tradition überfordert, der findet in den Adelaide Hills aber auch den „Pizza-Jesus". So nennt man Taras Ochota, seit er in der 1967 geschlossenen St.-Stephen’s-Kirche von Uraidla seine Weinlounge „Lost in a Forest" eröffnet hat. Der zottelige Punk-Bassist ersetzte den Altar durch einen Pizzaofen, in den nur Bio-Zutaten dürfen. „Das meiste wächst hier rundherum", denn Uraidla ist bekannt für Gemüse und Obst, Kirschen werden an jeder Ecke angeboten. Oder man pflückt sie gegen einen Unkostenbeitrag, ebenfalls eine Einführung der Nachkommen deutscher Siedler: Die Paechs führten sie auf ihrem „Beerenberg" ein, es gab eindeutig mehr Erdbeeren, als für die berühmte Marmeladeerzeugung benötigt wurden. Allerdings: Der Namensgeber der deutschen Parallelwelt „down under" war Däne; Kapitän Dirk Hahn stammte von der Insel Sylt, die erst vier Jahre nach seinem Tod 1864 zu Deutschland kam.

Infos

Bäume. Seine „gum trees" machten Landschaftsmaler Hans Heysen bekannt. Wohnhaus, Gärten, Atelier, hansheysen.com.au

Bewahrung. Erste Schule des Ortes: heute Hahndorf Academy samt German Migration Museum, hahndorfacademy.org.au

Gnadenberg. Neuer Kostraum von Henschke im originalen Speicher von 1860. Achtung! Top-Wein „Hill of Grace" gibt’s nur bei „VIP-Führung". henschke.com.au

Feinkost. Hahn & Hamlin: Südaustralische Produkte im Tapas-Stil beim „Grazing Board" (12  Euro/Person). Hausgemachtes Brot! hahnandhamlin.com.au

Handwerk. Bei Seppelts Winery: Restaurant („Fino"), Portwein-Keller und „Jam Factory" mit Handwerkern. Tipp: Hut von Julie Fleming (stattete Boy George wie die Duchess of Cornwall aus). seppeltsfield.com.au

Nachtlager. Vier-Stern-Haus ­
The Manna, sehr zentral, direkt an der Lebensader Hahndorfs, Parkplätze für den Mietwagen. Zimmer ab 92 Euro. ­themanna.com.au

Nobelquartier. The Louise: das Luxushotel von Barossa Valley, jedes Frühstück ofenwarm ins Zimmer serviert. Vineyard Suite mit Terrasse und Außendusche, ab 450 Euro. thelouise.com.au

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