Gastkommentar

Palmers, zeigt uns echte Körper, von dünn bis dick!

Sujet aus der neuen Palmers-Werbelinie.
Sujet aus der neuen Palmers-Werbelinie. Palmers
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Warum die jüngste Werbekampagne des Wäscheherstellers ordentlich daneben gegangen ist und von einem völlig falsch verstandenen Bild der feministischen Bewegung Body Positivity ausgeht.

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Die Industrie stellt derzeit fest, dass auch Frauen jenseits der Standardmaße und jenseits der 40 eine zahlungskräftige Zielgruppe sind. Das freut einerseits, weil die Vielfalt der abgebildeten Frauenkörper steigt. Doch wenn man im Namen des Feminismus und der Body Positivity Produkte verkaufen will, sollte man es auch wirklich so meinen – und sowohl entsprechende Produkte als auch entsprechende Bilder anbieten. Wie man es nicht macht, kann man leider gerade auf vielen Plakaten im Land sehen.

Palmers – eine Marke für Unterwäsche. Ihr berühmtestes Sujet über Jahre, die fünf am Bauch liegenden und von hinten abgelichteten Schönheiten in Strumpfhosen oder halterlosen Strümpfen, zierten zu meiner Studienzeit so manches Männer-WG-Wohnzimmer, gerne auch in Original-Plakatgröße. Es war die klassische Objektifizierung der Frauen, da waren keine Gesichter zu erkennen, die Frauen waren reduziert auf ihre Figur. Aber ok, ok, wie sollte ein Unterwäschehersteller in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts seine Produkte sonst bebildern? Dass keine feministischen Statements zu erwarten waren, war nach Jahrzehnten der immergleichen Bildsprache, der immergleichen abgebildeten Figuren (und zwar schlank bis untergewichtig) nicht zu erwarten.

Die Autorin Nunu Kaller.
Die Autorin Nunu Kaller. (c) Flo Waitzbauer

Im vergangenen Jahr schoss sich Palmers dann mit Anlauf ins Knie. Es war optisch sonnenklar, dass sie Jahrzehnte später dieses so erfolgreiche Sujet der fünf liegenden Frauen wieder inszenieren wollten – und es ging im wahrsten Sinn des Wortes in die Hose: Sie ließen fünf junge Mädchen in knappen Unterhosen auf einem verdreckten Teppich liegen, der auf einem ebenso verdreckten Steinboden lag und vor dem sich Laub und Dreck türmte. Wieder gesichtslos natürlich. Und hielten sich für lustig, als sie das Bild mit „unsere Osterhöschen“ veröffentlichten. Es folgte ein Aufschrei, bei dem ich mir immer noch nicht sicher bin, ob er von Palmers nicht bewusst provoziert wurde. Man kennt es ja, dieses „Oh Hoppla, wir einen gelben Stern auf unserem gestreiften Kindershirt, der an einen Judenstern erinnert? Das tut uns total leid, ist niemandem aufgefallen! Und oh, das ist jetzt aber blöd, dass wir weltweit dafür in der Presse genannt werden!“ als bewusste PR-Strategie, um im Gespräch zu bleiben (das Stern-Beispiel „passierte" übrigens der spanischen Bekleidungskette Zara 2014). Bewusste Marktingstrategie, um im Gespräch zu bleiben – und einfach nur unterste Schublade, egal, ob es gegen Frauen, Juden oder People of Colour geht.

Eine Welt, die passt...

Doch diesmal wollte Palmers es anders machen – ich sehe sie förmlich vor mir, die (übrigens rein männlich besetzte) Managementriege bei Palmers in ihrer Kreativbesprechung: „Body Positivity! Ja! Das ist der Trend der Stunde, wir haben das auf Instagram entdeckt! Frauen auf der ganzen Welt wollen nun ihre eigenen Körper lieben! Ja! Da machen wir mit! Da recherchieren wir kurz im Internet dazu und entwerfen eine wunderbare Bildkampagne! Und wir sind revolutionär und bilden eine dicke Frau ab! Wir müssen mitschwimmen auf dieser Welle des Feminismus!“ So oder so ähnlich muss es dort wohl geklungen haben. Dass man gerade bei der Bademode eigentlich keine Größen im Angebot hat, die über „für sehr schlanke“ oder „für schlanke“ Körper hinausgehen – geschenkt. Nebensache. Unwichtig.

Was kam dabei raus? Optisch definitiv ansprechende Bilder, da gibt’s gar nichts zu mäkeln. Strand, Sand und Sonne ziehen immer und sind angesichts des angebotenen Produkts – Bademode – auch naheliegend. Aber: Das „Plus-Size“-Model trägt wahrscheinlich etwa Größe 38, und dass sie mehr drauf hat als klassische Models wird nur sichtbar, weil sie auf dem Bild direkt neben einem solchen mageren Wesen steht. Vor einer dickeren Frau schreckte man dann doch zurück – und ich traue mich wetten, warum: Weil sie in den Augen dieser (ich wiederhole: rein männlichen) Managementriege als „nicht ästhetisch“ gelten. Man muss ja Wunschträume verkaufen, und träumt nicht jede Frau davon, dünn zu sein? Newsflash: Jede Frau hat ein Recht darauf, sich selbst anzunehmen und sich nicht von allen Seiten einreden zu lassen, dass sie nur dann schön ist, wenn sie schlank ist.

Halt, es gibt doch eine Dicke!

Doch halt, es gibt eine dicke Frau in der Kampagne! Sie ist ….ich bitte um Trommelwirbel … schwanger! Dick darf man nämlich nur dann sein, wenn man die immer noch in den Augen mancher Menschen einzige wirkliche Aufgabe der Frau erfüllt: Wenn man für Nachwuchs sorgt.

Die Bilder allein: Ok, nochmal, Palmers stellt Unterwäsche und Bademode her und sollte diese auch abbilden dürfen. Aber: Diese Bilder wurden unterlegt mit Claims wie etwa „Eine Welt, die passt“, „Eine Welt, in der jede Figur eine Bikinifigur ist“ (richtig geraten, dieser Claim steht beim Schwangerenfoto!) oder „Eine Welt, in der Frauen Ecken und Kurven haben“. Bei der Präsentation der Kampagne entblödete man(n) sich nicht, zu sagen: „Man mag es nicht glauben, es gibt viele Dinge, die für eine Frau in dieser Welt noch nicht passen, und darüber wollen wir sprechen.“

Gut, dann will ich als Frau und somit eure Zielgruppe mal darüber sprechen, was für mich als Frau in dieser Welt noch nicht passt: Es passt für mich als Frau nicht, dass man von Vielfalt spricht und wieder nur die ewig gleichen Bilder zeigt, denen es an Vielfalt definitiv fehlt. Es passt für mich als Frau nicht, dass man von einer Welt spricht, in der jede Figur eine Bikinifigur ist – und gleichzeitig nur in drei Größen und drei Körbchengrößen produziert. In einer Welt, in der Palmers Frauen wie mir – ich trage die Kleidergröße, die der Großteil der österreichischen Frauen trägt: 42/44 – schlicht und einfach kein Angebot stellen kann, sollte Palmers mir auch nicht erklären, dass jede Figur eine Bikinifigur ist. Danke, das weiß ich selbst.

Es passt für mich als Frau ganz und gar nicht, dass feministische Bewegungen wie die Body Positivity von der Industrie gekapert werden und uns nun die gleichen Produkte mit einem Hauch von „weil ich es mir wert bin“ verkauft werden.

Taten. Dann Worte.

Und wenn ihrs wirklich wissen wollt: Es passt für mich als Frau nicht, dass das Management Board einer Marke, die hauptsächlich für Frauen produziert, exklusiv aus Männern besteht. Es passt mir nicht, dass diese Männer geglaubt haben zu wissen, wie eine Welt aussieht, die für Frauen passt – ohne dass eine Frau mitbestimmen durfte. Es passt für mich als Frau nicht, dass ich mir immer noch Objektifizierung und optische Herabsetzung gefallen lassen muss, weil auf Frauen ein derartiger Druck ausgeübt wird, schön und schlank zu sein. Und übrigens, nur so nebenbei, es passt für mich als Frau ganz und gar nicht, dass mir Bikinis im Namen des Feminismus angedreht werden, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von Frauen gefertigt wurden, die einen Lohn dafür bekommen, der ihnen ein selbstbestimmtes Leben nicht ermöglicht.

Werte Bestimmer bei Palmers: Walk the Talk. Taten. Dann Worte. Dann könnte es funktionieren mit euch und dem Feminismus. Was das bedeuten würde? Zeigt uns echte Körper, von dünn bis dick. Zeigt uns junge und ältere Körper. Retuschiert diese Körper nicht. Zeigt uns Frauen mit kurzen Beinen, welche mit unschwangerem Bauch, welche mit großen Brüsten. Bietet eine größere Größenvielfalt an. Und: Produziert fair. Dann könntet ihr nämlich ein Teil davon sein, von dieser Welt, die passt. Und zwar allen.

>>> Artikel in der „Wienerin“ 

Zur Person

Nunu Kaller (*1981) ist Bloggerin und Autorin, die sich vor allem mit den Themen nachhaltiger Konsum und Body Positivity auseinander gesetzt hat. Nach ihrem Buch „Ich kauf nix. Wie ich durch Shopping-­Diät glücklich wurde“ (2013) erschien 2018 das Buch „Fuck Beauty“ )beide Kiepenheuer & Witsch). Nach dem Studium der Publizistik, Anglistik und Zeitgeschichte arbeitete sie einige Jahre in der Online-Redaktion der „Presse“ bevor sie in die NGO-Welt wechselte. 

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