Deniz Yücel erhebt Foltervorwürfe gegen Erdoğan

Journalist Deniz Yücel erhebt schwere Vorwürfe gegen den türkischen Präsidenten Erdoğan.
Journalist Deniz Yücel erhebt schwere Vorwürfe gegen den türkischen Präsidenten Erdoğan.APA/dpa/Michael Kappeler
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Der Korrespondent der deutschen Tageszeitung „Welt“ machte eine Aussage vor Gericht: "Ich wurde im Gefängnis Silivri Nr. 9 drei Tage lang gefoltert."

Der Korrespondent der deutschen Tageszeitung "Die Welt", Deniz Yücel, ist während seiner Haftzeit in der Türkei eigenen Angaben zufolge gefoltert worden. Yücel machte dafür am Freitag in einer Aussage vor dem Amtsgericht in Berlin den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan verantwortlich.

In der schriftlichen Fassung seiner Aussage, die der dpa vorliegt und über die zunächst die "Welt" berichtete, erwähnt Yücel Schläge, Tritte, Erniedrigungen und Drohungen durch Vollzugsbeamte in seinen ersten Tagen im Hochsicherheitsgefängnis Silivri bei Istanbul. Gegen Yücel läuft in der Türkei ein Prozess, ihm wird unter anderem "Propaganda für eine Terrororganisation" vorgeworfen. Das Gericht in der Türkei hatte zugestimmt, dass Yücel im Rahmen der Rechtshilfe vor einem Richter in Deutschland aussagen kann.

"Drei Tage lang gefoltert"

"Ich wurde im Gefängnis Silivri Nr. 9 drei Tage lang gefoltert", hieß es in Yücels erster Aussage in dem Strafverfahren. "Womöglich auf direkte Veranlassung des türkischen Staatspräsidenten oder dessen engster Umgebung, auf jeden Fall aber infolge der Hetzkampagne, die er begonnen hatte und unter seiner Verantwortung. So oder so, der Hauptverantwortliche für die Folter, der ich ausgesetzt war, heißt Recep Tayyip Erdoğan."

Der heute 45-jährige Journalist war im Februar 2017 in der Türkei verhaftet worden und kam ein Jahr später frei.

AKP-Politiker bezweifelt Vorwürfe

Der AKP-Politiker und Erdoğan-Vertraute Mustafa Yeneroğlu bezweifelt die von Yücel erhobenen Vorwürfe. Yeneroğlu sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich kann es mir nicht vorstellen. Es widerspricht den mir bekannten Vorfällen und auch seinen späteren Äußerungen mir gegenüber."

Yeneroğlu, der in Deutschland aufgewachsen ist und im angespannten deutsch-türkischen Verhältnis mitunter als Brückenbauer fungiert, hat Yücel nach eigenen Angaben im Gefängnis geholfen. "Damals hat sich die Ehefrau von Herrn Yücel insgesamt beunruhigt an mich gewandt. Anschließend habe ich mit seinen Anwälten gesprochen." Die hätten ihm von "verbaler Schikane und einer Schubserei" berichtet.

"Sofort habe ich massiv interveniert und die Wärter wurden ausgetauscht und disziplinarischen Maßnahmen unterzogen", sagte Yeneroğlu. "Aber von Folter oder Schlägen haben mir weder er oder seine Ehefrau noch seine Anwälte jemals berichtet."

(APA/dpa)

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