Life Ball: Ein Ende mit Ankündigung

2007 verkündete Mode-Ikone Amanda Lepore (nur) das Ende der Modenschau.
2007 verkündete Mode-Ikone Amanda Lepore (nur) das Ende der Modenschau.APA/HANS KLAUS TECHT
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Ein Ball noch, dann fällt der letzte Vorhang für ein Megaevent, das sich in die Stadtgeschichte eingeschrieben hat wie kaum ein anderes. Über ein nicht ganz unerwartetes Ende, seine Ursachen und die Folgen für Aidshilfe und die Stadt.

Wien. „Es waren unglaubliche, fantastische, intensive Jahre. Wir haben mehr bewegt, als wir je zu hoffen gewagt hätten. Ich bin unendlich dankbar.“ Mit diesen Worten hat Gery Keszler das Ende verkündet: Der Life Ball am 8. Juni, der unter einem Zirkusmotto steht, soll ein fulminanter Abschluss werden. Weil das angekündigte Aus wohl die Nachfrage steigert, wird ab Montag ein zusätzliches Kartenkontingent aufgelegt, erwartet wird etwa Schauspielerin Katie Holmes, die Modenschau wird von Missoni ausgerichtet.

1. Warum beendet Gery Keszler ausgerechnet jetzt, kurz nach dem Neustart, den Life Ball?

Es fehlt das Geld. Es sei immer schwieriger geworden, Sponsoren und Spender zu gewinnen, so Keszler. Das Bewusstsein sei heute ein anderes als beim ersten Ball vor 26 Jahren. Dass der Ball nicht mehr läuft, wie Keszler sich das vorstellt, wurde mit der Pause 2016 klar: Nachdem man jahrelang neue Superlative erwartet hatte, wurde eine Kommerzialisierung, ein zu starker Fokus auf Stars und VIPs (die von anderen Gästen getrennt feierten) kritisiert. Keszler wollte den Ball neu erfinden, wieder auf Benefiz, auf das Thema Aids/HIV fokussieren. Gefruchtet hat das offenbar nicht. Der Life Ball Next Generation soll schon heuer nicht stattfinden.

2. Wie kann eine Marke wie der Life Ball nicht genug Sponsorengeld bringen? Wo hakt es?

Dem Ball fehlt Sponsorengeld, so begründet Keszler das Aus. Das Problem gibt es schon länger, nun hat der aktuelle Hauptsponsor, Pharmakonzern Gilead Sciences, seine Unterstützung auf einen niedrigeren sechsstelligen Betrag zurückgefahren, auch, um andere Projekte wie die Elton John Aids Foundation zu unterstützen. Die Kooperation komplett gekündigt hat die AUA. Man sei wirtschaftlich heuer nicht zusammengekommen, heißt es von der Airline, die bis dahin Stars und Team von New York nach Wien geflogen hatte. Geld allein dürfte aber nur ein Aspekt sein: Von Sponsoren war schon länger von Unmut über das Ballmanagement und unkooperativem Umgang mit Geldgebern zu hören. Während die Finanzierung schwieriger wurde, sind die Kosten gestiegen: Jene für Sicherheit etwa hätten sich vervielfacht.

3. Scheitert der Ball nur am Geld? Welche Probleme gab es abgesehen davon?

Die Situation im Kampf gegen HIV/Aids hat sich verändert. Aus dem einstigen Todesurteil ist in vielen Ländern eine chronische Krankheit geworden. Das habe laut Keszler dazu geführt, dass die Zahl der Verbündeten abgenommen habe. Auch in der Wiener LGBT-Szene, vor allem in der jüngeren Generation, hatte der Ball nicht mehr den Stellenwert wie in der Community der früheren Jahre. Und in der Generation der Szene, die von Anfang an dabei war, soll es zu Unstimmigkeiten mit dem Ballmanagement gekommen sein.

4. Wie geht es mit dem Verein weiter? Fehlt in der HIV/Aids-Hilfe in Zukunft Geld?

Der Verein Life+ soll mit sechs ehrenamtlichen Mitgliedern bestehen bleiben, man will weiter „gegen Stigma und Ausgrenzung“ aufstehen. Finanzielle Unterstützung für Projekte werde aber, mangels des Balls als Einnahmequelle, auslaufen, bestätigt eine Sprecherin. Der Reingewinn 2019 werde in Projekte im Ausland fließen. In den vergangenen Jahren konnte der Ball knapp 30 Mio. Euro Spenden für 170 Hilfsprojekte lukrieren. Auch in Österreich fällt damit einiges weg: Der Aids-Hilfe Wien werden künftig bis zu 200.000 Euro Spendengelder fehlen. Bei der Aidshilfe Steiermark wurden die Spenden des Vereins über die Jahre weniger, 2018 habe man 17.000 Euro erhalten.

5. Der Life Ball ist die international bekannteste Party Wiens. Was heißt ein Ende für die Stadt?

In Wien ist das Bedauern über das Ende des Balls groß. Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) und Tourismusdirektor Norbert Kettner, Ballgast der ersten Stunde, dankten Keszler – auch für den Beitrag zum Imagewandel Wiens. Die Stadt hatte erst kürzlich die Subventionen für heuer und 2020 beschlossen (die freilich nicht ausbezahlt werde, wenn der Ball nicht stattfindet, heißt es im Büro Hanke). Dem Verein Life+ wurden jährlich 900.000 Euro zuerkannt. Neben dem Werbewert für Wien fällt mit dem Ball ein direkter Wirtschaftsfaktor weg: In den letzten zehn Jahren seien laut Studie des IHS eine Bruttowertschöpfung von 106 Mio. Euro für Wien erzielt und rund 28 Mio. Euro an Steuern und Sozialversicherung gezahlt worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2019)

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