Wenn sich im US-chinesischen „Handelskrieg“ das hegemoniale chinesische Welthandelsverständnis durchsetzt, hat auch Europa ein Problem.
Mit der Verhängung drastischer Strafzölle durch die USA erreicht der chinesisch-amerikanische Handelskonflikt eine neue Eskalationsstufe. Und in Europa, dem die nächste handelspolitische „Zielansprache“ durch die Amerikaner gilt, beklagen sich nicht wenige darüber, wie der US-Präsident da zum Schaden der Weltwirtschaft durch den globalen ökonomischen Porzellanladen „trumpelt“.
Aber abseits des überzogenen Kriegsgeschreis („Die Chinesen stehlen amerikanischen Arbeitern die Arbeitsplätze“) kann man Trump diesmal einfach nur die Daumen halten. Denn was die Amerikaner verlangen, nämlich eine Öffnung des chinesischen Markts, den Schutz von geistigem Eigentum und die Lockerung des Zwangs zu Technologietransfers bei Investitionen im Reich der Mitte, sollte in einer fairen globalen Wirtschaft eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein.
In der Praxis ist es das natürlich nicht. Auch nicht in den USA. Nur: Die Unverfrorenheit, mit der die Chinesen ihren eigenen Markt abschotten und gleichzeitig ihre Waren in relativ offene globale Märkte drücken, hat es in dieser Dimension noch nicht gegeben.
Das sind Methoden, wie sie für ein aufstrebendes Schwellenland, das Anschluss an die Industriestaaten sucht, akzeptabel sein mögen. Aber diese Phase hat China längst hinter sich. Wir reden hier von der zweitgrößten Volkswirtschaft der Erde mit dem Anspruch, in ein paar Jahren die größte, nämlich die USA, überholt zu haben. Und mit dem unbändigen politischen Willen, dieses Ziel auch durchzusetzen.
Das Ziel ist natürlich legitim, aber man muss bei seiner Verfolgung eben damit rechnen, dass „Mitspieler“ die Einhaltung der Regeln einfordern. Genau das tun die Amerikaner jetzt. Polternd zwar, wie es zum Stil des „Potus“ passt, aber jedenfalls effizienter als die Europäer.
Sie kämpfen ja mit dem gleichen Problem wie die Amerikaner. Und auch sie haben auf die unfairen Praktiken der Chinesen mit einer ganzen Reihe von Antidumpingzöllen reagiert. Nur: Sie versuchen, die Sache mit Klagen vor der Welthandelsorganisation WTO in den Griff zu bekommen. Die Amerikaner haben das mehr als zehn Jahre lang ebenso probiert. Um zuletzt einsehen zu müssen, dass die Machtstrategen in Peking WTO-Klagen als Weicheipolitik betrachten und auch so behandeln.
Jetzt versucht es Washington ebenfalls mit politischer Machtentfaltung. Das ist, die Entwicklung der Börsenkurse in den vergangenen Tagen zeigt es, pures Gift für die Weltwirtschaft. Immerhin prallen hier der globale Noch-Hegemon und sein Herausforderer (und wahrscheinlicher Nachfolger) aufeinander. Aber da müssen wir wohl durch. Und hoffen, dass schlussendlich transpazifische Vernunft siegt und ein für beide Seiten tragbarer Kompromiss herausschaut.
Wir sitzen hier auf der Zuschauerbank und sollten, wie gesagt, den Amerikanern die Daumen drücken. Denn Europa kommt auf dem strategischen Spielplan in diesem globalen „Monopoly“ nicht vor. Zwar bestehen in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem alten Kontinent und Peking die exakt gleichen Probleme wie in den US-chinesischen Relationen. Aber die EU hat weder eine brauchbare China-Strategie, noch herrscht Einigkeit. Im Gegenteil: Die Chinesen haben mit finanziellen Verlockungen schon 17 Länder aus der EU-Phalanx herausgebrochen. Und in ein paar anderen, darunter Österreich, hoffen nicht wenige politische Entscheidungsträger mit Yuan-Zeichen in den Augen, ein paar Seidenstraßenkrümel abzubekommen.
So etwas wird in Peking ganz offensichtlich nicht ernst genommen. Die Amerikaner verhandeln hier also ungewollt auch ein wenig unsere Sache mit. Und es sieht so aus, als wären sie nicht ganz unerfolgreich. Welthandel braucht, wenn er nicht einseitig werden soll, Regeln. Hoffen wir, dass sich die beiden Großmächte da zusammenraufen. Kapitulation vor dem hegemonialen chinesischen Handelsverständnis sollte jedenfalls keine Option sein.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2019)