Wo Europas Fußballherz schlägt

Stamford Bridge im Freudentaumel: Chelsea verabschiedet Eintracht Frankfurt im Elferschießen aus der Europa League, im Finale wartet nun der Stadtrivale.
Stamford Bridge im Freudentaumel: Chelsea verabschiedet Eintracht Frankfurt im Elferschießen aus der Europa League, im Finale wartet nun der Stadtrivale.REUTERS
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Drei Londoner Klubs führen den englischen Siegeszug im Europacup an. Gemessen an Profivereinen ist die britische Hauptstadt seit jeher die Nummer eins in Europa. Ein Streifzug.

London/Wien. Eigentlich liegen zwischen den Heimstätten von Arsenal und Chelsea nur 15 U-Bahn-Stationen. Für das nächste Derby müssen sich die Fans der beiden Londoner Vereine aber zum gut 4500 Kilometer entfernten Kaspischen Meer aufmachen. In Baku, Aserbaidschan, steigt am 29. Mai das Finale der Europa League zwischen den zwei Großklubs aus der englischen Hauptstadt. Drei Tage später ist in Madrid ein weiterer Londoner Vertreter im Einsatz: Tottenham Hotspur fordert im Finale der Champions League den FC Liverpool. London gegen London in Baku, London gegen Liverpool in Madrid – erstmals in der über 60-jährigen Geschichte des Fußball-Europacups kommen alle vier Finalisten aus demselben Land (und drei aus einer Stadt).

Die Gründe für die englische Dominanz liegen nicht nur in den üppigsten TV-Geldern der Premier League. In England spielen die meisten Stars, der Konkurrenzkampf ist am stärksten, die Nachwuchsarbeit wird immer professioneller. Vor allem aber sind dort die besten Trainer am Werk.

Das alles ist nicht neu. Doch nun feiert die Premier League erstmals auch Erfolge auf europäischer Bühne, zum zweiten Mal in Folge wurden in der Uefa-Fünfjahreswertung die meisten Punkte eingespielt. Die Dominanz der Spanier ist damit durchbrochen. Bis zuletzt war Madrid das Fußballmekka des Kontinents, Real und Atlético stellten bis zum Vorjahr sechs der jüngsten zehn Champions-League-Finalisten. Und die Tage der Mailänder Vorherrschaft sind ohnehin gezählt, Inter und vor allem Milan wurden zu Sinnbildern des Abstiegs der Serie A.

Zwischen Fulham und East End

Gemessen an der Zahl an Topklubs ist London seit jeher die Nummer eins in Europa. Sechs Londoner Vereine spielen in der Premier League (Arsenal, Chelsea, Tottenham, West Ham, Fulham, Crystal Palace; dazu das nahe gelegene Watford), drei weitere in der Championship (zweite Liga: Brentford, Millwall, Queens Park Rangers). In Manchester, Liverpool oder Glasgow wollen sie von der „Fußballhauptstadt London“ freilich nichts hören. Schließlich heißt der englische Rekordmeister immer noch Manchester United (gefolgt von Liverpool) und stammt der älteste Klub der Insel aus Sheffield (FC Sheffield, gegründet 1857). Auch die Stimmung in den Londoner Stadien kommt nicht an jene in Anfield, Old Trafford oder im Celtic Park heran. Dennoch: Die britische Kapitale gibt derzeit den Ton in Europa an.

Unterschiedlicher könnten die Hauptstadtklubs nicht sein. Champions-League-Finalist Tottenham, einst der Verein jüdischer Einwanderer im proletarischen East End, hat sich gerade um eine Milliarde Pfund (1,16 Mrd Euro) ein neues Stadion gebaut. Dort steigt gegen das Nordlondoner Arsenal, gegründet von Arbeitern einer Waffenfabrik, auch das hitzigste Derby auf Toplevel. Überhaupt berüchtigt: Das Derby zwischen West Ham und Millwall, deren Anhang einst aus Hafenarbeitern bestand.

So reicht die Bandbreite der Londoner Profiklubs vom idyllischen AFC Wimbledon (dritte Liga) bis zu den Queen's Park Rangers mit Promi-Fans aus der Rock- und Popszene. Auch zwischen Fulham, ältester Profiklub der Stadt (gegründet 1879) und malerisch am Ufer der Themse gelegen, und dem Arbeiterverein West Ham im Osten liegen Welten. Die Europa-League-Finalisten Arsenal und Chelsea (wo einst der Glamour regierte) haben sich mit ihrem Aufstieg zu globalen Sportmarken zu Vereinen der Londoner Mittelklasse entwickelt. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2019)

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