Extragruppen für Problemschüler

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Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) stellt einen Neun-Punkte-Plan vor. Neben Time-out-Gruppen kommt eine neue Anlaufstelle, Lehrer sollen Streitschlichter werden.

Wien. „Wer den ersten Stein geworfen hat, kann ich nicht feststellen“, sagte Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) zur Spuckaffäre an der HTL Ottakring. „Das ist aber auch egal: Spucken, an die Wand drücken, Gewaltbereitschaft zeigen sind absolute No-Gos.“ Als Minister müsse er sich aber generell die Frage stellen, wie es zu einer solchen Eskalation habe kommen können und wie man das verhindern könne. Diese Gedanken habe der aktuelle Fall beschleunigt.

Am Freitag hat der Minister daher einen Neun-Punkte-Plan gegen Gewalt und Mobbing vorgestellt. Die größte Neuerung sind die Time-out-Gruppen („Die Presse“ berichtete). Pilotprojekte sollen im Dezember oder Jänner starten. Zudem sollen etwa Lehrer zu Streitschlichtern ausgebildet, Direktoren gestärkt und Schüler zum Abkühlen aus der Klasse genommen werden. „Manches ist bekannt, man muss nicht alles neu erfinden“, sagte Faßmann. Manches müsse man neu schaffen, manches stärker akzentuieren.

1. Für wen sind Time-out-Gruppen gedacht und wie sollen sie funktionieren?

Es geht um Schüler, die wegen disziplinarischer Probleme auffallen und den Unterricht behindern. In den Extragruppen – die auch schulübergreifend eingerichtet werden können – sollen fünf bis acht Schüler sitzen, die von speziell geschultem Personal betreut werden. Möglich ist, dass Schüler zwischen zehn und 15 Jahren dort die ganze Woche verbringen oder ein-, zweimal pro Woche dorthin kommen, maximal einen Monat lang. Dort soll auch der normale Stoff unterrichtet werden. Wie das Modell genau aussehen soll, wird bis zum Sommer präzisiert. Es könnte auch verschiedene Pilotprojekte geben.

2. Gibt es für diese neuen Extragruppen dann auch mehr Lehrer und Sozialarbeiter?

Danach sieht es eher nicht aus. Laut Faßmann seien mit Beratungslehrern, Schulpsychologen und Sozialarbeitern 800 vom Bund finanzierte Stellen vorhanden, die man eventuell stärker verankern und effizienter einsetzen müsse. Wiens Bildungsdirektor Heinrich Himmer – der die Idee der Extragruppen für nicht zu Ende gedacht hält – drängt auf mehr Ressourcen, um mit den Schülern zu arbeiten. Lehrergewerkschafter Paul Kimberger – der mit der Neuerung sehr zufrieden ist – sagt: „Ohne mehr Personal wird das wahrscheinlich nicht funktionieren.“ Aber: Auch die Länder seien jetzt gefordert.

3. Was halten andere von den geplanten Time-out-Gruppen für Problemschüler?

Die Gewerkschaft fordert diese Extragruppen mit dem Verweis, dass sie in anderen Ländern gut funktionieren, seit Jahren. Schulpsychologin Andrea Richter, die sie mit Faßmann vorstellte, hält sie für sinnvoll. Kritiker orten Konzepte à la Winkerlstehen und befürchten ein Abschieben von Problemschülern. Auch Bildungspsychologin Christiane Spiel hält die Idee nicht für gut: Man müsse bei der ganzen Klasse bzw. Schule ansetzen, um Mobbing und Gewalt nachhaltig zu verhindern. „Auch die, die nicht direkt beteiligt sind, müssen lernen, wie sie eingreifen können.“ Zentral sei, dass die Schule klar mache, dass Gewalt nicht geduldet werde. Das findet sich unter Faßmanns weiteren Punkten.

4. Welche Maßnahmen sind noch gegen Gewalt und Mobbing in der Schule geplant?

Eine ganze Reihe von neuen und weniger neuen: So sollen die Schulen sich stärker als gewaltfrei identifizieren, es soll mehr Teambuildingmaßnahmen in den jeweils ersten Klassen geben und mehr Aus- und Weiterbildungen, besonders für Quereinsteiger. Lehrer sollen in Kursen zu Streitschlichtern ausgebildet werden, die Direktoren sollen besser zu den rechtlichen Rahmenbedingungen geschult werden. Eine digitale Plattform soll Anlaufstelle für Betroffene sein, und Schüler sollen bei Gewalt kurzfristig für eine Cool-down-Phase außerhalb der Klasse untergebracht werden können. Neu geregelt werden könnte auch die Suspendierung oder der Ausschluss von Schülern ab der Oberstufe.

5. Wie oft kommen Gewalt und Mobbing an den heimischen Schulen überhaupt vor?

Der Fall an der HTL, wo ein Lehrer einen Schüler anspuckte und selbst auch von Schülern schikaniert wurde, hat den Blick wieder auf das Thema gelenkt. Vergangenes Schuljahr gab es österreichweit 857 Polizeieinsätze an Schulen, die meisten davon in Wien (siehe Grafik). Am stärksten betroffen sind die Mittelschulen und die Polytechnischen Schulen, am öftesten wird die Polizei wegen körperlicher Gewalt an die Schulen gerufen. Die Zahlen bilden aber nur die schlimmsten Vorfälle ab – kleinere Probleme ohne Polizei werden nicht flächendeckend erfasst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2019)

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