Pflanzenstreicheln, kein Witz

Pflanzen brauchen Berührungen für die Widerstandskraft.
Pflanzen brauchen Berührungen für die Widerstandskraft.(c) Ute Woltron
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Regelmäßig bewegte Pflanzen wachsen kräftiger und widerstandsfähiger heran.

Leute, die ihre Pflanzen regelmäßig streicheln, können leicht den Verdacht erregen, esoterisch oder einfach verrückt zu sein. Doch tatsächlich tun sie ihnen Gutes, und zwar aus folgendem Grund: In ihrer natürlichen Umgebung wird jede Pflanze logischerweise bis zu einem gewissen Grad vom Wind gestreichelt und bewegt. Erst durch diese Bewegungsreize animiert, schütten sie ein bestimmtes Enzym aus, das ihr Wachstum verlangsamt, sie insgesamt jedoch kräftiger macht. Egal, ob von Wind oder von Menschenhand gestreichelt – regelmäßig bewegte Pflanzen wachsen sichtlich kompakter, widerstandsfähiger und gesünder heran.

In Japan wird dieser Tatsache bereits seit den 1970er-Jahren Rechnung getragen. So setzt man dort etwa Streichelmaschinen in Glashäusern ein, die regelmäßig vollautomatisiert sanft über die Pflanzen wischen. Für uns Samengärtner gilt denn auch: Streiche hin und wieder einfach mit der Hand sanft über die Pflänzchen oder lass sie gelegentlich von einem Ventilator befächeln. Es tut ihnen jedenfalls gut – und uns möglicherweise auch.

Der wissenschaftliche Terminus für dieses Phänomen der „durch Berührungsreize ausgelösten Veränderung des pflanzlichen Wachstums“ lautet übrigens Thigmomorphogenese. Es gibt jedoch noch einen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Berührung und Pflanzengesundheit, und zwar die Aktivierung der eigenen, von der Pflanze entwickelten Schädlingsabwehr. Auch das ist logisch: „Spürt“ die Pflanze etwaige Fressfeinde, wird sie sich dagegen rüsten, ihre jeweiligen Schutzmechanismen aktivieren und die entsprechenden Signalstoffe oder giftige Abwehrstoffe bilden. Diese den Pflanzen eigenen Abwehrtalente zu fördern ist die beste Prophylaxe gegen Pilz- und andere Krankheiten, also streicheln, gut mit Nährstoffen versorgen, auch nicht mit Licht geizen und nicht dursten lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.05.2019)

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