Hertha Kräftner: Wesen gewordenes Herbstblatt

Scheu, hochsensibel und lebensunfähig: Poetin Hertha Kräftner.
Scheu, hochsensibel und lebensunfähig: Poetin Hertha Kräftner.(c) Wieser Verlag
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Die kurze Reise einer großen, wenig bekannten Literatin und unglücklich Liebenden. Die „Selbstmörderin auf Urlaub“ ist zu traurig, zu zerrissen, um das Abenteuer Leben zu meistern.

Eines Vormittags läutet beim Dichter Hermann Hakel das Telefon. Mit bedrückter Stimme bittet Hertha Kräftner den Freund um ein Gespräch bei ihm zu Hause. „Ist es dringend?“, fragt er. „Nein, nein“, weicht sie aus. Hakel meint: „Dann ruf mich bitte während der nächsten Tage wieder an, und wir vereinbaren einen Termin . . .“

Wenige Tage später ist Hertha Kräftner tot. Mit einer Überdosis Veronal-Schlaftabletten wählt die hochsensible 23-Jährige in der Nacht eines tristen Novembertags des Jahres 1951 den Freitod. Der schwer gehbehinderte und seit Geburt an auf einem Auge blinde Hakel, Förderer junger Literatinnen wie Ingeborg Bachmann und Marlen Haushofer, erinnert sich an seine feige Ausrede: „Mein aufgeregtes Herzklopfen während ihres Anrufs, meinen Versuch, mich zu beherrschen, um Zeit zu gewinnen, konnte die Hilfesuchende nicht ahnen . . . Die meist berechtigte Eifersucht meiner Frau war gerade in diesem Fall, de facto wenigstens, unbegründet. Ich selbst hatte mir diese angebotene Liebe verboten und die allzu willige Nymphomanin gebeten, mich als väterlichen Freund zu akzeptieren.“

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