Ramaphosa und das Schicksal der Regenbogennation

Längst ist die Euphorie am Kap verflogen, auch jene „Ramaphoria“, die nach Ramaphosas Amtsübernahme als Brise durchs Land wehte.
Längst ist die Euphorie am Kap verflogen, auch jene „Ramaphoria“, die nach Ramaphosas Amtsübernahme als Brise durchs Land wehte.(c) REUTERS (MIKE HUTCHINGS)
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Südafrikas Wähler haben Präsident Cyril Ramaphosa das Mandat gegeben, mit den Altlasten der Zuma-Ära aufzuräumen und einen Neuanfang einzuleiten.

Aufbruchstimmung lag in der Luft. Lange Warteschlangen wanden sich um die Wahllokale, und die Menschen brachen in Jubelgesänge aus, um den historischen Anlass zu würdigen. 25 Jahre ist es her, dass Südafrika feierlich seine erste freie Wahl beging, das Ende des Apartheidstaats besiegelte und Nelson Mandela – „Madiba“, den Vater der Nation – mit einer Mehrheit jenseits der 60 Prozent zum ersten schwarzen Präsidenten kürte. Es markierte den Beginn einer neuen Epoche für eine tief gespaltene und von schweren Narben gezeichnete Gesellschaft, die sich ein wenig schönfärberisch zur „Regenbogennation“ stilisieren sollte.

Daran wollte Präsident und ANC-Chef Cyril Ramaphosa bei der Wahl in Südafrika, der fünften seit 1994, in der Vorwoche anknüpfen. Immerhin hatte Mandela seinen Intimus als Erben ausersehen. Ramaphosa ist als Vizepräsident indes erst im Vorjahr in den Rang des Primus aufgerückt, nachdem er den zutiefst korrupten Präsidenten Jacob Zuma in einem enervierenden Machtkampf gestürzt hatte. 15 Monate im Amt haben seither nicht ausgereicht, um mit den Altlasten der neunjährigen Zuma-Ära aufzuräumen, mit seinen Paladinen zu brechen und einen kraftvollen Neuanfang einzuleiten.


Längst ist die Euphorie am Kap verflogen, auch jene „Ramaphoria“, die nach Ramaphosas Amtsübernahme als Brise durchs Land wehte. Armut und Arbeitslosigkeit sind in weiten Teilen drückende Plagen, die grassierende Korruption und die Kriminalität große Geißeln. Der Frust steckt vielen Südafrikanern in den Knochen. Dass Millionen von Jungwählern der Born-Free-Generation sich nicht einmal für die Wahl registriert haben, zeugt von Desillusionierung und Apathie. Und dass die Wahlbeteiligung auf einen Tiefstand von zwei Dritteln sank, ist dafür ein Indikator. In einem Land, in dem die schwarze Bevölkerung so lang für ihr Wahlrecht gekämpft hat, ist dies ein Signal, aber auch Zeichen einer Normalisierung für eine westlich geprägte Demokratie.

Nicht zuletzt nähert sich das Wahlergebnis einer pluralistischen Normalität an. Dabei würde jede Partei westlichen Zuschnitts bei einem Resultat von fast 58 Prozent, einer unangefochtenen absoluten Mehrheit für den African National Congress, in Enthusiasmus verfallen. Die stärkste Oppositionspartei, die liberale Democratic Alliance, kam neuerlich nicht über 22 Prozent hinaus. Die linkspopulistischen Economic Freedom Fighters unter Führung des Ex-ANC-Jugendchefs Julius Malema, als Abspaltung Fleisch vom Fleisch des ANC, schaffte aber den Sprung über zehn Prozent. Es ist ein Achtungserfolg, der der Sammlungsbewegung des ANC zu denken geben sollte. Malema und sein rotes Anhängerheer werden den ANC mit radikalen Parolen für eine Landreform und Verstaatlichung vor sich hertreiben.


Das ist die Ausgangslage für Ramaphosa und seine Regierung. Schon bei der Stimmabgabe in Soweto schwor er: „Wir kennen unsere Fehler und entschuldigen uns dafür. Wir haben unsere Lektion gelernt.“ Vollmundig versprach er: „Wir stürmen jetzt vorwärts.“ Als Präsident bewahrte er den ANC vor einem schlimmeren Absturz. Viele Wähler gaben ihm noch eine Chance, weil sie an seine Integrität glauben und an seine Fähigkeiten, einen Ausgleich zu schaffen zwischen sozialem Anspruch und marktwirtschaftlichen Prinzipien. Denn Südafrika fiel in den Zuma-Jahren zurück, es büßte seine Vorreiterrolle in Afrika ein.

Zweifellos hat der ANC große Meriten erworben. Doch Selbstbedienungsmentalität und Kleptokratie, wie sie charakteristisch sind für allmächtige Parteien und autokratische Führer, haben sich in die Partei gefressen. Reformen sind nun dringend geboten, ein harter Schnitt gegen die ehemaligen Zuma-Protegés an den Schaltstellen und ein effizienter Kampf gegen die Korruption. Das wird großes Geschick erfordern, als Ex-Gewerkschaftsboss und früherer Unternehmer hat Cyril Ramaphosa das Zeug dazu. Scheitert jedoch seine Mission, rutscht die ruhmreiche Partei bei der nächsten Wahl unter die 50-Prozent-Marke. Was für den ANC einem Fiasko gleichkäme, wäre für die Südafrikaner allerdings eine noch größere Tragödie.

E-Mails an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2019)

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