"Ende der Wohlfühljustiz": Gewaltschutzpaket wird begutachtet

Gefängniszellen
Gefängniszellen(c) Clemens Fabry, Presse
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Die Regierung präsentierte das Gesetzespaket abermals. Justizminister Moser forderte eine Erhöhung der finanziellen Mittel.

Die Regierung schickt das Gewaltschutz-Paket in Begutachtung. Am Montag stellten Staatssekretärin Karoline Edtstadler und Justizminister Josef Moser (beide ÖVP) gemeinsam mit Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) die Pläne noch einmal vor. Diese sehen bei Sexualdelikten bzw. Gewalt gegen Frauen und Kinder strengere Strafen vor, aber auch mehr Opferschutz und Täterarbeit.

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Das Paket ist bereits im Februar im Ministerrat in den Grundzügen behandelt worden, nun soll die gesetzliche Umsetzung folgen. Kommende Woche gehen die ausgearbeiteten Gesetzesmaterien in die sechswöchige Begutachtung. Der Beschluss im Nationalrat ist für den Herbst angepeilt. In Kraft treten sollen die Maßnahmen dann per 1. Jänner 2020, hieß es am Wochenende aus der ÖVP-FPÖ-Regierung.

Mit den vorliegenden Entwürfen sollen insgesamt 24 Gesetze geändert werden. Dass die abermalige Präsentation just in der Schlussphase des laufenden EU-Wahlkampfes erfolgte, begründete die für die Ausarbeitung zuständige Staatssekretärin im Innenministerium und ÖVP-Listenzweite bei der EU-Wahl, Edtstadler, damit, dass ihr die vor mehr als einem Jahr eingesetzte "Task Force Strafrecht" ein "besonderes Anliegen" sei.

Kurz erfreut über Gesetzespaket

Das Gesetzespaket umfasst mehr als 50 Maßnahmen, viele davon entspringen der vor mehr als einem Jahr eingesetzten "Task Force Strafrecht", die von Innenstaatssekretärin Edtstadler geleitet wird. Unter anderem soll bei Vergewaltigung die Mindeststrafe von einem Jahr auf zwei Jahre erhöht werden und damit eine gänzliche Strafnachsicht ausgeschlossen werden. Für Rückfalltäter werden in bestimmten Bereichen die Höchststrafen um die Hälfte erhöht, und Mindeststrafen werden eingeführt bzw. erhöht. Die ausgearbeiteten Gesetze sollen am Montag von den Regierungsvertretern präsentiert werden.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich erfreut: "Mit schärferen Gesetzen gehen wir gegen jene im Land vor, die sich vor allem an Frauen und Kindern vergehen. Gewalt und sexueller Missbrauch muss härter bestraft werden", sagte er. In der Stellungnahme der Regierungsspitzen wird auch auf die Zuwanderung verwiesen: "Gewalt gegen Frauen ist kein neues Phänomen, aber auf Grund der Veränderung der Gesellschaft und der Zuwanderung, hat sich vor allem das Bild der Frau von Männer aus anderen Kulturkreisen massiv verändert. Die Bundesregierung hat diese Entwicklungen schon von Beginn an erkannt und deswegen im Regierungsprogramm zu diesem Thema bereits einen Schwerpunkt gesetzt."

Moser fordert mehr Mittel

Deutliche Worte fand Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) in seinem schriftlichen Statement: "Diese Regierung ist angetreten, die Opfer zu schützen, nicht die Täter. Wer seine Strafe verbüßt, kann kein Verbrechen begehen. Die Opfer leiden ein Leben lang und für die Täter waren bei Vergewaltigungen bis jetzt sogar bedingte Strafen möglich. Mit der FPÖ in der Regierung ändert sich das", so der FPÖ-Chef. "Auch eine Zelle ist eine Form von Opferschutz. Straftaten sind keine Kavaliersdelikte. Die Wohlfühljustiz für Verbrecher findet mit dieser Bundesregierung Schritt für Schritt ihr Ende", meinte der Beamten- und Sportminister.

Einige der Reformvorschläge hatten in der Vergangenheit Kritik von Juristen und von Frauenorganisationen hervorgerufen. Diesbezüglich verwies Justizminister Moser am Montag aber auf die zum Teil einstimmige bzw. mehrheitlich erfolgte Zustimmung der rund 120 Experten der Taskforce. Um die Rechtsstaatlichkeit zu sichern, müssten aber die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt und die neuen Aufgaben finanziell abgegolten werden, forderte Moser, der Unterstützung von Kickl erhielt. Nicht in die Karten schauen ließ sich diesbezüglich jedoch Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP). Er stellte zwar Schwerpunktsetzungen in Aussicht, dennoch würden mit allen Ressorts Gespräche geführt, was deren Gesamt-Kostenstruktur angeht, meinte Löger bei einem Arbeitsbesuch am Montag in Innsbruck.

Griss: „Härtere Strafen allein bringen rein gar nichts“ 

Die SPÖ forderte am Montag mehr Geld für Opferschutz und Täterarbeit. Zudem behinderten "massive Personalprobleme" die Justiz, beklagte SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek. Oftmals würden Anzeigen nicht zur Anklage kommen. "Die Staatsanwaltschaften sind krass unterbesetzt", betonte Heinisch-Hosek, die befürchtete, dass sich die Personalsituation durch die angekündigten Einsparungen in allen Ressorts wegen der Steuerreform noch einmal verschärfen werde.

"Jetzt"-Parteiobfrau und Frauensprecherin Maria Stern bezeichnete das Gewaltschutz-Paket als "halbherzig", vor allem in Bezug auf Gewaltschutz und Täterarbeit. In ein ähnliches Horn stieß auch Neos-Justizsprecherin Irmgard Griss: "Härtere Strafen allein bringen rein gar nichts." Vielmehr brauche es eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Justiz, aber auch in der Prävention. "Wer Rechtsstaat sagt, muss ihn auch finanzieren", so Griss.

(APA)

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