"Keine schwere Schuld" an Unfall mit Bundesheerboot: Diversion für Unteroffizier

Das gekenterte Bundesheer-Boot befestigt an einem Boot der Schifffahrtsaufsicht.
Das gekenterte Bundesheer-Boot befestigt an einem Boot der Schifffahrtsaufsicht. APA/HARALD SCHNEIDER
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Der Unteroffizier war wegen fahrlässiger Gemeingefährdung angeklagt. Er hat sich vor Gericht schuldig bekannt und muss nun eine Geldstrafe zahlen.

Nach dem Unfall mit einem Pionierboot auf der Donau bei Hainburg, bei dem zwei junge Frauen lebensgefährlich verletzt wurden, hat ein Soldat am Montag am Bezirksgericht Bruck an der Leitha Diversion erhalten. Dem 33-Jährigen, der das Wasserfahrzeug gesteuert hatte, sei "keine schwere Schuld" nachzuweisen, sagte die Richterin. Der Unteroffizier muss eine Geldstrafe von 3.400 Euro und die Verfahrenkosten zahlen, dann wird das Verfahren eingestellt. Das Bundesheer hat nach dem Urteil ein Disziplinarverfahren gegen den 33-Jährigen eingeleitet.

Die Staatsanwaltschaft Korneuburg hatte dem Niederösterreicher fahrlässige Gemeingefährdung vorgeworfen, er bekannte sich schuldig. Der Unfall hatte sich am 1. September 2018 beim Girls' Camp ereignet, dabei handelt es sich um ein Schnupperwochenende beim Bundesheer. Der Unteroffizier sollte mit den Passagieren eine rund 20-minütige Fahrt in dem Arbeitsboot machen. Das Wasserfahrzeug war mit insgesamt 13 Personen - acht Teilnehmerinnen und fünf Soldaten - besetzt gewesen.

Der Mann habe die Heckwelle des Bootes, das vor ihm unterwegs war, spitzwinkelig überfahren, sagte Staatsanwalt Friedrich Köhl. Dadurch sei das Wasserfahrzeug mit der Front in die Welle gekommen. Die richtige Reaktion wäre laut Staatsanwaltschaft gewesen, Motorleistung wegzunehmen. "Das hat der Angeklagte nicht gemacht, sondern vielmehr die Motorleistung noch erhöht", sagte Köhl. Dadurch seien sämtliche Passagiere ins Wasser gestürzt. Zwei Frauen im Alter von 18 und 22 Jahren gerieten unter das Boot. Die Teilnehmerinnen wurden erst nach 39 bzw. 45 Minuten befreit und mussten reanimiert werden. Sie wurden in Wiener Krankenhäuser geflogen, über ihren Gesundheitszustand gab es auf Wunsch der Angehörigen keine Informationen.

Angeklagter: "Kann es mir nicht erklären"

Der Verteidiger sagte, sein Mandant habe "in einer Ausnahmesituation falsch reagiert". Solche Situationen würden in der Ausbildung nicht trainiert. Er sah "keine schwere Schuld" des Angeklagten.

Warum der Unfall passiert sei, "kann ich mir bis heute nicht erklären", sagte der 33-Jährige. "Ich bin es immer und immer wieder durchgegangen. Ich kann es mir nicht erklären." Er habe offensichtlich einen Fehler gemacht, weil er Gas wegnehmen hätte müssen. "Es ist dann wahnsinnig schnell gegangen, das Boot ist gekippt", schilderte der Mann.

Nach dem Kentern habe er die Rettungsweste ausgezogen und sei unter das Boot getaucht, um Teilnehmerinnen zu retten. "Wir haben zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst, ob noch jemand drunter ist oder nicht." Dort sei es "schwarz" gewesen. Schließlich habe man eine Teilnehmerin ertastet, ihre Rettungsweste aufgestochen und die Frau in Sicherheit gebracht. Danach sei eine weitere Passagierin gefunden und befreit worden. Dann habe es irgendwann geheißen, "es sind alle da".

Der Sachverständige Hermann Steffan sprach von einer "Verkettung von unglücklichen Umständen", die zum Unfall geführt hatte. Vorwerfen könne man dem Beschuldigten die Tatsache, dass er nicht vom Gas gegangen sei. Der Soldat hätte laut Gutachter fünf bis sechs Sekunden Zeit gehabt, um den entsprechenden Hebel auf Null zurückzunehmen. Weil er das nicht machte, seien mehrere hundert Liter Wasser pro Sekunde eingedrungen. Das Boot sei "sehr rasch" gekentert - nach sieben bis neun Sekunden. Zeugen wurden in der Gerichtsverhandlung am Montag keine befragt.

Schadenersatz in anderem Verfahren

Die Richterin führte nach Erörterung des Gutachtens durch den Sachverständigen aus, dass eine diversionelle Vorgehensweise geboten sei. Bei einer Gesamtschau seien das Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel und der Rettungseinsatz des Angeklagten "unter Gefährdung seines eigenen Lebens" mildernd. Erschwerungsgrund gebe es keinen. Die Staatsanwaltschaft erhob keinen Einwand gegen die Diversion.

Die Folgen für die Betroffenen seien schwer und dramatisch, hielt die Richterin fest. Die Schadenersatzansprüche der Opfer seien Gegenstand eines Amtshaftungsverfahrens. Die Republik Österreich habe sämtliche bisher geltend gemachte Forderungen dem Grunde nach anerkannt.

Ein allfälliges Versagen in der Rettungskette sei nicht Inhalt der Verhandlung, betonte die Richterin weiters. Das müsse von der Staatsanwaltschaft gesondert geprüft werden. Laut Friedrich Köhl von der Korneuburger Anklagebehörde wurde ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren eingestellt. Die Frist für einen Fortführungsantrag laufe noch, sagte der Staatsanwalt am Montag zur APA.

Bundesheer startet Disziplinarverfahren

Nach dem Urteil für den Unteroffizier hat das Bundesheer am Montag ein Disziplinarverfahren gegen den 33-Jährigen eingeleitet. Da eine Diversion kein Urteil ist, werde in diesem Fall selbstständig geprüft, bestätigte Michael Bauer vom Verteidigungsministerium auf Anfrage einen "Heute"-Onlinebericht.

Die Disziplinarbehörde sei an die dem Spruch eines rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteiles zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden, erläuterte der Sprecher.

(APA/Red.)

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