Macron und die Liberalen: Ein Angriff auf das EU-Machtgefüge

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Die Liberalen schließen ein Bündnis mit Frankreichs Präsident Macron. Man will ein Gegenentwurf zur erstarkenden Rechten sein, aber auch mehr Einfluss und Ämter beanspruchen - und einen Kommissionspräsidenten Weber verhindern.

Der französische Präsident Emmanuel Macron sieht sich als Erneuerer und Umdenker der Europäischen Union, das hat er nicht zuletzt durch seinen offenen Brief samt Forderung nach einem „Neubeginn“ im März deutlich gemacht. Seine Partei "La République en Marche“ (LREM) soll nach der EU-Wahl auch im EU-Parlament eine gewichtige Rolle spielen. Zu diesem Zwecke bastelt Macron an einer Fraktion, an der niemand vorbeikommen soll. Und sein Plan nimmt Formen an. Mit seinem Bündnis „Renaissance“ sollen LREM und die Allianz der Liberalen und Demokraten in Europa (Alde) das Machtverhältnis in der EU verändern und die Machtbasis Macrons bzw. Frankreichs in der EU langfristig vergrößern.

Am Samstag trafen sich Vertreter der Parteien in Straßburg, um ihr Wahlbündnis zu bekräftigen. Die Absichtserklärung zur Zusammenarbeit haben neben Macrons französischer Renaissance-Liste auch sieben andere liberale Parteien unterschrieben: Neben den Neos in Österreich, der FDP in Deutschland und der VVD von Premier Mark Rutte in den Niederlanden sind das die Ciudadanos (Spanien), D66 (Niederlande), Momentum (Ungarn) und MR (Belgien). Man sei aber, wie es am Wochenende hieß, weiterhin „offen für den Beitritt anderer gleichgesinnter Parteien".

"Diese neue Fraktion wird eine neue Kraft im Europäischen Parlament sein und die derzeitige Große Koalition der Sozial- und Christdemokraten beenden", schrieb Nicola Beer, Spitzenkandidatin der deutschen FDP, nach dem Treffen. Tatsächlich könnte sich das Machtverhältnis im EU-Parlament nach der Wahl, die von 23. bis 26. Mai stattfindet, durch diese neue Fraktion verschieben. Aktuellen Umfragen zufolge könnte eine gemeinsame Fraktion auf etwa 100 der 751 Sitze kommen. Derzeit halten die Liberalen bei nur 69.

Bemerkenswerte Grußbotschaften

Dass sich noch weitere Parteien anschließen, ist nicht ausgeschlossen - und von Macron ausdrücklich gewünscht. Man sieht sich als Zentrumsfraktion. Vorerst gab es zumindest anerkennende Grußbotschaften von zwei sozialdemokratischen Politikern - von Italiens Ex-Premier Matteo Renzi und vom portugiesischen Regierungschefs Antonio Costa. Letzterer sagte, dass er seit zwei Jahren Zeuge sei, wie „der liebe Emmanuel“ Europa voran treibe. Er wolle an einem progressiveren Kontinent mitbauen. Das heißt zwar nicht, dass Costa die sozialistische Fraktion im Europaparlament verlassen wollen, sei aber dennoch „bemerkenswert", wie es die „Süddeutsche Zeitung“ formuliert. 

Und mit dem neuen liberalen Bündnis dürfte es auch zusätzlichen Widerstand gegen einen möglichen Kommissionspräsidenten Manfred Weber geben, dem Spitzenkandidaten der europäischen Konservativen. Denn weder Macron noch Rutte sehen sich dem Spitzenkandidatenprinzip verpflichtet, das vorsieht, dass der Top-Kandidat der Wahlsiegerfraktion den EU-Kommissionschef stellt. Für die Topjobs der EU haben die Liberalen durchaus anerkannte Kandidaten. Margarete Vestager, bisher Wettbewerbs-Kommissarin, ist europaweite Spitzenkandidatin von Alde und mögliche Juncker-Nachfolgerin. Der belgische Ex-Premieminister Guy Verhofstadt ist lang-gedienter Fraktionschef von Alde und ein Kandidat für den EU-Parlamentspräsidenten. Rutte selbst wird immer wieder auch als EU-Ratspräsident ins Spiel gebracht - auch die Amtszeit des amtierenden Donald Tusk läuft aus. Ein Job, in dem manche auch die deutschen Kanzlerin Angela Merkel sehen.

Die EU-Wahl wird jedenfalls eine Zäsur darstellen. Denn bisher machten sich die Europäische Volkspartei EVP und die Europäischen Sozialdemokraten der SPE alle Posten untereinander aus - eine Art große Koalition auf europäischer Ebene. Doch jetzt wollen nicht nur die Liberalen und Macron ihre Macht ausbauen. Mit der neuen Fraktion der rechten Parteien unter der treibenden Kraft von Italiens Innenminister Salvini (gemeinsam mit der FPÖ und der Partei „Rassemblement National“ von Marine Le Pen in Frankreich) wird es bald eine weitere starke Fraktion im EU-Parlament geben, die Ansprüche auf Ämter und Einfluss erhebt.

(APA/dpa/Red.)

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