Großbritannien: Brexit-Gespräche vor dem Scheitern

Labour-Parteivorsitzender Jeremy Corbyn.
Labour-Parteivorsitzender Jeremy Corbyn.(c) REUTERS (Phil Noble)
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Konservative setzen Premierministerin Theresa May angesichts schwindender Umfragewerte verstärkt unter Druck.

London. Nur in ihrer Uneinigkeit sind sie einig: Vor Wiederaufnahme der Gespräche zwischen der britischen Regierung und der oppositionellen Labour Party am Montag Abend erhöhten die Konservativen den Druck auf ihre eigene Premierministerin, Theresa May, ein Datum für ihren Rücktritt zu nennen. Zugleich verlangte Labour-Verhandlungsführer Keir Starmer eine neue Volksabstimmung über eine allfällige Vereinbarung zwischen Regierung und Opposition. „Ohne Bestätigung durch die Wähler wäre eine Zustimmung im Parlament kaum vorstellbar“, meinte Starmer.

Die Tories schwächten mit den neuerlichen Rücktrittsforderungen noch weiter die Position von Premierministerin May. „Es ist nicht normal, dass man mit jemandem einen Deal sucht, der nur noch auf Ablaufzeit im Amt ist“, warnte denn auch Starmer. Für die Brexit-Gespräche zeichnete sich damit ein Ende ohne Ergebnis ab. Es sei „Zeit für eine Entscheidung“, machte Außenminister Jeremy Hunt gestern noch zusätzlich Druck. Ein Regierungssprecher verneinte, dass es eine Deadline gebe und meinte lakonisch: „Warten wir ab, wie die nächste Runde läuft.“ Starmer drohte, er habe „keine Angst, noch diese Woche die Gespräche zu beenden“. Es sei „schwer, mit jemandem zu verhandeln, der keinerlei Kompromissbereitschaft zeigt und dessen Nachfolger sich bereits in Position bringen“.

Die Panik in den beiden Großparteien ist nicht nur auf ihre Ratlosigkeit zum Brexit zurückzuführen, sondern auch auf ihre Angst vor der nächsten Abfuhr durch die Wähler. Nach den katastrophalen Verlusten der Konservativen und der ernüchternden Stagnation von Labour unter Jeremy Corbyn bei den Kommunalwahlen zu Monatsbeginn droht bei der Europawahl am 23. Mai das nächste Desaster: Nach aktuellen Umfragen liegt die Brexit Party des Berufs-EU-Gegners Nigel Farage mit 36 Prozent vor Labour mit 21, den Liberaldemokraten mit zwölf und den Konservativen mit nur noch elf Prozent. In London drohen die Tories sogar auf den fünften Platz zu fallen.

Öl ins Feuer goss, wie so oft, der ultrakonservative Jacob Rees-Mogg. Die Mehrheit der Konservativen werde am 23. Mai die Farage-Partei aus Protest gegen May und ihr Scheitern beim Brexit wählen. Rees-Mogg forderte ihren sofortigen Rücktritt: „Ich kann nicht erkennen, wie jemand, der derartig die Unterstützung der Basis verloren hat, weitermachen kann.“ In den Parteisektionen habe May „allen Respekt verspielt“.

Die Premierministerin reagierte wie üblich darauf nicht. Stattdessen ließ sie ausrichten, sie sei „weiterhin gegen jede Form“ einer neuen Volksabstimmung: „Die Premierministerin ist darauf konzentriert, den Willen der britischen Wähler umzusetzen“, hieß es aus ihrem Amt. Nur weiß sie ebenso wenig wie alle anderen Akteure, wie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2019)

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