ÖVP will Familienbeihilfe für Ausländer kürzen

 ÖVP will Familienbeihilfe für Ausländer kürzen
ÖVP will Familienbeihilfe für Ausländer kürzen(c) AP (Joerg Sarbach)
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Staatssekretär Reinhold Lopatka prescht im Gespräch mit der "Presse" mit einem heiklen Sparplan vor. Der VP-Politiker will Leistungen für Kinder im Ausland senken.

Wien. Im Parlament prallten Dienstagnachmittag bei einer Anhörung mit Experten die Meinungen über den Finanzplan der Koalition bis 2014 aufeinander. Mit dabei: Finanzminister Josef Pröll und die Staatssekretäre Reinhold Lopatka (ÖVP) und Andreas Schieder (SPÖ). Die Regierung hüllte sich bisher zu konkreten Sparpläne in Schweigen. Lopatka wartet jetzt im Gespräch mit der „Presse“ mit einem heiklen Vorstoß für Einsparungen bei Familien auf.
Sein konkreter Vorschlag: Die Familienbeihilfe soll für Kinder, deren Eltern zwar in Österreich arbeiten, deren Töchter und Söhne aber im Heimatland bleiben, zurückgeschraubt werden. Nämlich auf das Niveau der jeweiligen Lebenshaltungskosten im betreffenden Land. Bei diesen Zahlungen Österreichs für rund 41.000 Kinder (siehe Grafik) geht es um ein Volumen von etwa 50 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Gesamtausgaben lagen in Österreich 2008 bei 3,3 Milliarden Euro. Derzeit haben 1,1 Millionen Eltern von 1,8 Millionen Kindern Anspruch auf Familienbeihilfe.

100 Euro Differenz pro Monat

Lopatka nennt als Beispiel den „gravierenden Unterschied“ zwischen den Leistungen für Kinder ab dem zehnten Lebensjahr in Österreich und der Slowakei: Hier betrage die Familienbeihilfe 130,90 Euro pro Monat, in der Slowakei 17,81 Euro pro Monat. Die Differenz beträgt demnach mehr als 100 Euro. Der Staatssekretär schlägt vor, die Bemessung der Zahlungen, die von Österreich erfolgen, an die Lebenshaltungskosten in dem Land, in dem das Kind lebt, zu binden. Dies käme teils einer drastischen Reduktion gleich.

Betroffen davon wären allerdings auch Kinder von Österreichern, die im Ausland wohnen. Auch diese bekämen dann nur noch eine Beihilfe zur Deckung der Lebenshaltungskosten. Pläne zur Einschränkung der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland waren schon unter Schwarz-Blau diskutiert worden.

„Keine Diskriminierung“

Der Staatssekretär steht dazu, eine derartige Neuregelung im Zuge der Sparpläne der Regierung zu diskutieren. Eine Orientierung an den Lebenshaltungskosten sei „keine Diskriminierung“ von Ausländern, weil sie ja auch Österreicher treffen würde.

Lopatka verweist im Gespräch mit der „Presse“ außerdem darauf, dass umgekehrt schon derzeit bei der Reisegebührenverordnung für Österreicher, die dienstlich ins Ausland reisen müssen, Rücksicht genommen werde. Die speziellen Tagsätze bei der Vergütung würden auch die Lebenshaltungskosten des Reiseziels widerspiegeln.
Der Staatssekretär zeigt sich daher zuversichtlich, dass eine solche Lösung rechtlich halten würde: „Unsere Experten sagen, dass das möglich ist.“ Und: „Ich halte das durchaus vereinbar mit den Grundfreiheiten der EU.“ Sein Chef, Finanzminister Josef Pröll, hat zu Beginn der Spardebatte betont, der Familienbereich sei nicht tabu. Nach dem von der Regierung gemeinsam beschlossenen Finanzplan müssen im Familienbereich, für den im Wirtschaftsministerium Staatssekretärin Christine Marek (ÖVP) zuständig ist, mehrere hundert Millionen Euro eingespart werden.

Auf die Familienleistungen ist Lopatka im Zuge seiner Besuche in den Finanzämter – er hat rund 60 der 81 Dienststellen besucht – aufmerksam gemacht und angesprochen worden. Es geht, wie er erläutert, beispielsweise darum, dass Pflegerinnen aus der Slowakei in Österreich arbeiten, die Kinder aber in der Heimat bleiben, für sie gibt es die höhere, österreichische Familienbeihilfe. Ähnliches spiele sich etwa bei Beschäftigten im Tourismus ab.

Stöhnen in Finanzämtern

Sein Vorschlag sei doch ausländerfeindlich? Lopatka weist das entschieden zurück: „Nein, weil es durch die Berechnung nach den Lebenshaltungskosten keine Diskriminierung ist.“

In den Finanzämter stöhnen Bedienstete unter dem Andrang von Ausländern und Österreichern, die aus dem Ausland zugewandert sind, wie sich auch bei einem „Presse“-Lokalaugenschein in Oberösterreich gezeigt hat.
Ähnlich sind die Erfahrungen in Wien, wie etwa der Vorstand des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk, Christian Stöger, bestätigt. In seinem Finanzamt betrug der Anteil der Ausländer, die Familienbeihilfe erhielten, im Vorjahr 39 Prozent. In diesem Wert sind Antragssteller mit Migrationshintergrund nicht enthalten, die bereits österreichische Staatsbürger sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 5. Mai 2010)

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