Riesenwirbel um "Entsendebonus" am Bau

Die Presse/Fabry
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Die Baugewerkschaft führt Beschwerde gegen Slowenien. Es geht um einen „Nachlass“ bei der Sozialversicherung, wenn slowenische Firmen Mitarbeiter auf Baustellen nach Österreich entsenden.

Um einen sogenannten Entsendebonus für slowenische Firmen, die Mitarbeiter auf Baustellen nach Österreich schicken, gehen seit Tagen die Wogen hoch. Die Gewerkschaft Bau-Holz (GBH) hat deshalb eine Beschwerde gegenüber Slowenien bei der Europäischen Kommission eingebracht.

Konkret geht es um einen Nachlass bei der Sozialversicherung, der sich daraus ergibt, dass der Sozialversicherungsbeitrag in Slowenien nicht nach dem Lohn berechnet wird, der entsandten Arbeitnehmern im Zielland zusteht, sondern nach dem slowenischen Mindestlohn.

Österreich sei für solche Entsendungen das Zielland Nummer eins, sagt Baugewerkschafts-Chef Josef Muchitsch - und Slowenien sei inzwischen zum „Transitland Nummer eins“ geworden. Denn es kommen von dort nicht nur slowenische Arbeitskräfte auf österreichische Baustellen. Auch Nicht-EU-Bürger aus Drittstaaten wie Serbien, Bosnien oder Russland würden bei slowenischen Firmen angemeldet und von dort aus nach Europa vermittelt - das sei zu einem regelrechten Geschäftsmodell geworden.

80 Prozent Unterentlohnung

Ein (korrekt entlohnter) Bauarbeiter, egal ob entsandt oder nicht, verdiene auf einer Baustelle in Österreich durchschnittlich 2400 Euro Brutto im Monat, rechnet die GBH vor. Das wäre dann auch die Berechnungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge. Tatsächlich werde in Slowenien aber nur der Sozialversicherungsbeitrag vom slowenischen Mindestlohn mit 884 Euro berechnet. Er betrage deshalb nur 142 Euro im Monat. In Österreich wären im Vergleich dazu 515 Euro zu berappen.

Die Gewerkschaft spricht von „unfairem Wettbewerb“ für österreichische Firmen und Arbeitnehmer und einem „klaren Widerspruch“ zur EU-Wettbewerbsrichtlinie. Jeder zweite aus Slowenien entsandte Bauarbeiter bekomme zudem in Österreich zu wenig Lohn, beklagt die Baugewerkschaft.

Muchitsch nennt als Beispiel einen Fall auf einer Baustelle in der Steiermark, über den ein Verfahren anhängig ist: Drei Arbeitnehmer eines slowenischen Unternehmens, denen in Österreich ein KV-Bruttostundenlohn von 11,81 Euro zugestanden wäre - bzw. inklusive anteiligen Sonderzahlungen sogar 12,95 Euro pro Stunde - hätten demnach laut eigenen Angaben nur 2,51 Euro pro Stunde erhalten, Lohnunterlagen gab es keine. Daraus ergebe sich eine Unterentlohnung von 80,62 Prozent.

AK beschwert sich über Slowenien

Indes hat auch die Arbeiterkammer hat bei der EU-Kommission Beschwerde gegen Slowenien eingebracht. Das Nachbarland bemisst die Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer, die beispielsweise in Österreich arbeiten, nämlich nicht nach dem österreichischen Lohn, sondern nach einem fiktiven slowenischen Lohn, kritisiert die heimische Arbeitnehmervertretung in einer Aussendung am Freitag. Das Kalkül dahinter ist laut der AK, dass slowenische Entsende-Firmen Arbeitskräfte billiger anbieten können, weil sie weniger Sozialversicherungsabgaben bezahlen müssen - und so österreichische Firmen unterbieten können.

"Die entsandten Arbeitnehmer haben auch Nachteile davon, nämlich niedrigere Ansprüche auf Sozialleistungen und Pensionen", sagt AK-Präsidentin Renate Anderl. "Österreichische Arbeitnehmer aber auch Unternehmen kommen durch diese rechtswidrigen Praktiken unter Druck.", fordert sie das Aus des "unfairen Entsendebonus".

Pensionsanspruch nach 15 Beitragsjahren

Für ihre in Slowenien eingezahlten Beiträge erwerben Arbeitnehmer aus Drittländern übrigens im schlechtesten Fall nicht einmal einen Pensionsanspruch, sondern verschaffen der slowenischen Sozialversicherung unfreiwillig ein „Körberlgeld". Denn wie in Österreich, braucht man auch in Slowenien 15 Beitragsjahre, um einen Grundanspruch auf eine Pension zu erwerben. Und auf so lange Versicherungszeiten kommen Leiharbeiter aus Drittländern kaum.

Ob im Ausland verbrachte Versicherungszeiten dann wenigstens daheim für die Pension angerechnet werden, hängt grundsätzlich davon ab, ob es entsprechende Abkommen zwischen den jeweiligen Ländern gibt. Wenn nicht, fällt der Arbeitnehmer um diese Beitragsjahre um.

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