Innenpolitische Schelte für Kurz' Pommes-Sager

Pappschale mit Pommes Frites und Mayonaise 2006
Pappschale mit Pommes Frites und Mayonaise 2006(c) imago/McPHOTO (Matthias Stolt)
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SPÖ, Neos und „Jetzt“ kritisieren den Bundeskanzler. Die ÖVP sieht indes zwischen Kurz und Spitzenkandidat Karas keinen internen Konflikt um die Pommes.

Scharfe Kritik an den EU-kritischen Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kam am Dienstag von SPÖ, Neos und Liste „Jetzt“. In der ÖVP war man bemüht, einen internen „Pommes-Konflikt“ zu verneinen, Kurz selber wies die Kritik der Opposition zurück. Er hatte am Wochenende gemeint: „Kein Mensch braucht EU-Vorgaben, etwa für die Zubereitung von Schnitzel und Pommes.“ Er bezog sich dabei offenbar auf eine EU-weit gültige Richtlinie, die krebserregende Stoffe in Lebensmitteln verhindern soll.

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Nachdem schon am Montag der sozialdemokratische Spitzenkandidat, Andreas Schieder, Kurz' Aussagen zu Schnitzel und Pommes als „vollkommenen Topfen“ bezeichnet hatte, befand am Dienstag SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried: "Zwischen der ÖVP und der FPÖ gibt es keinerlei Unterschiede mehr." Bei der Europadebatte im Nationalrat am Mittwoch will Leichtfried deshalb vor allem fragen, warum Kurz seine Forderungen nicht in seiner EU-Ratspräsidentschaft umgesetzt hat.

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Dass Kurz zuletzt die Streichung von 1000 EU-Verordnungen gefordert hat, aber gerade einmal eine einzige nannte, hält Leichtfried für scheinheilig und populistisch: "Das ist alles leeres Gerede, das ist alles Populismus, um der FPÖ vielleicht einige Stimmen bei der Europawahl wegzunehmen." Kurz habe schon vor seiner EU-Ratspräsidentschaft im Vorjahr angekündigt, den Verordnungsdschungel zu lichten, aber dann nichts gestrichen.

"Letzten Rest des proeuropäischen Erbes der ÖVP versenkt"

Der Bundeskanzler habe den letzten Rest des proeuropäischen Erbes der ÖVP mitleidlos versenkt, kritisierte Leichtfried: "Der Herr Vilimsky (EU-Spitzenkandidat der FPÖ, Anm.) tut mir inzwischen schon leid, weil er dauernd rechts überholt wird."

Der Nationalrat befasst sich am Mittwoch auf Antrag der ÖVP mit der von Kurz geforderten EU-Vertragsreform, die allerdings auf europäischer Ebene für wenig Reaktionen gesorgt hatte. Zur Debatte in der "aktuellen Europastunde" kommen wird laut ÖVP Europaminister Gernot Blümel.

Neos: Kurz wie Cameron vor Brexit-Referendum

Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger verglich am Dienstag den Regierungschef mit dem früheren britischen Premier David Cameron vor dem Brexit-Referendum. Zudem ortet sie Ähnlichkeiten mit weit rechts stehenden Politikern wie Italiens Innenminister Matteo Salvini oder Ungarns Premier Viktor Orbán.

Angesichts Kurz' Aussagen erscheine es ihr durchaus denkbar, meinte Meinl-Reisinger, dass Konservative wie Kurz im EU-Parlament mit Rechtsextremen die Zusammenarbeit suchen könnten. In der österreichischen Europapolitik der Regierung dominiere die FPÖ ja schon, meinte die Neos-Chefin.

"Sehr weit nach rechts gerückt"

Für „Jetzt“-Klubobmann Bruno Rossmann ist Kurz durch die Aussagen "zum Anti-Europäer geworden". In einer Pressekonferenz meinte Rossmann am Dienstag, Kurz bediene sich dem Sprechtext der Anti-Europäer und sei damit "sehr weit nach rechts gerückt". Mit dieser "europapolitischen Bankrotterklärung" sei der pro-europäische Lack der ÖVP ab, Kurz habe jegliche Glaubwürdigkeit verloren.

Kurz habe offenbar keine Sekunde dafür verwendet, darüber nachzudenken, welche Konsequenzen die Forderung nach Streichung von 1000 EU-Verordnungen habe. Damit könne möglicherweise an den Grundfesten des Binnenmarktes gerüttelt werden, meinte Rossmann.

Mit dem Vorwurf einer Bevormundung durch die EU beteilige sich Kurz an dem "sattsam bekannten Spiel", sich an Beschlüssen in Brüssel zu beteiligen und diese dann zu Hause zu kritisieren. ÖVP-Politiker hätten die nun kritisierten Verordnungen im EU-Parlament mitgetragen. Rossmann hält es auch für "billigen Populismus", mit dem der Kanzler auf Wählerfang gehe, weil Kurz seinen jetzt knapp zwei Wochen vor der Wahl konstatierten Reformbedarf in der EU nicht schon während der EU-Ratspräsidentschaft oder in seiner Zeit als Außenminister eingebracht habe.

Kurz bleibt bei Forderung

Kurz wies am Dienstagnachmittag die Kritik aus den Reihen der Opposition zurück. "Man ist kein Anti-Europäer, nur weil man Europa besser machen will", teilte er in einer Stellungnahme mit. "Wenn man sich mit dem Status Quo zufrieden gibt, dann gefährdet man auf Dauer dieses Freiheits- und Gemeinschaftsprojekt. Ich stehe jedenfalls auf der Seite eines besseren Europas", meinte Kurz.

Er bleibe bei seiner Forderung nach einer Streichung von 1000 EU-Verordnungen. Um welche es konkret gehe, werde mit der neuen Kommission zu besprechen sein, meinte er.

Der Kanzler bekräftigte, dass diese Forderung Teil einer von ihm gewünschten EU-Reform sei, für die er sich härteren Sanktionen wünsche - für Budgetsünder und für Länder, die Migranten nicht registrieren oder den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen würden. Kurz' Idee hatte beim informellen Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Sibiu vergangene Woche für keine Begeisterung gesorgt. Diplomaten hatten Kurz' Vorstellungen als unrealistisch bezeichnet.

Köstinger will sich nicht für oder gegen „Pommes-Verordnung“ stellen

In der ÖVP reagierten am Dienstag sowohl EU-Spitzenkandidat Othmar Karas als auch Umweltministerin Elisabeth Köstinger auf Kurz' Aussagen zur „Pommes-Verordnung“. Man sehe keinen Disput um das Thema, hieß es sowohl von Köstinger als auch von Karas.

"Kurz und Karas haben die selbe Einstellung", betonte Köstinger am Dienstag im Vorfeld des Agrarrats in Brüssel. Gesundheitsschutz stehe an oberster Stelle, "aber man muss nicht alles bis ins kleinste Detail regeln", meinte Köstinger. Köstinger selbst wollte sich am Vormittag nicht festlegen, ob sie nun für eine Beibehaltung oder Streichung der "Pommes-Verordnung" eintritt. Schon EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber habe betont, "dass man alles einmal einem Faktencheck unterziehen soll, dass man die großen Dinge im Großen regeln soll und die kleinen im Kleinen. Da wird natürlich auch die 'Pommes-Verordnung' drunter fallen".

Karas unterstützt „Abschaffung von Vorschriften auf EU-Ebene“

Man sei generell gerne bereit, über "strenge, einheitliche und europaweite Grenzwerte" zu diskutieren, die Umsetzung müsse aber den Mitgliedsstaaten überlassen werden - und zwar ohne "überbordende Bürokratie". Wie das im Konkreten bezüglich frittierter Produkte aussehen könnte, müsse man sich anschauen, so die Ressortchefin: "Aber so, wie es jetzt ist, ist es unbefriedigend."

ÖVP-Delegationsleiter Karas hatte ursprünglich zu Kurz' Aussagen gemeint, er halte nichts davon, "sie (die Verordnung, Anm.) jetzt zwei Jahre danach einzustampfen". Einen Konflikt wollte der Listenerste der Türkisen mit dem Kanzler aber nicht sehen: Er unterstütze die Anliegen für weniger Bürokratie und die Abschaffung von Vorschriften auf EU-Ebene. Das gelte auch für die „Pommes-Verordnung“: "Denn wenn man das Ziel des Krebsschutzes auch mit anderen Mitteln erreichen kann, braucht es keine 'Pommes-Verordnung'."

(APA/Red.)

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