Die Abgründe der viktorianischen Gesellschaft traten gerade im Bereich der Sexualität besonders krass hervor.
London – das war für die Viktorianer die Metropole der ganzen Welt. Jede Volkszählung war eine Sensation: Nicht einmal eine Million Menschen gab es 1801 in der Hauptstadt, ein Jahrhundert später waren es fast fünf Millionen. Darauf konnte man stolz sein, so stellte man sich das Zentrum eines einzigartigen Weltreichs vor. Politische Macht, materieller Reichtum, intellektuelle Brillanz, eine Stadt, die expandierte wie eine losgetretene Lawine. Verfolgte aus allen Ländern des rückschrittlichen Europa kamen hierher, ins liberale London. Wohin sonst?
Freilich, wer damals London sagte, musste auch sagen: East End. Das war mehr als ein geografischer Begriff, das wurde zum Inbegriff städtischer Verkommenheit. Hier wohnte die verelendete Bevölkerung, in unmittelbarer Nachbarschaft zum konzentrierten Reichtum. Niemand milderte dieses soziale Gefälle ab, nicht private Wohltätigkeit, nicht kommunale Bemühung. Brutal hatte man die Slums hierher ausgelagert, als die Londoner City ein Geschäfts- und Bankenviertel wurde.