Ein ehemaliger Mitarbeiter der US-Investmentbank Lehman Brothers schildert die Vergabe der Bundeswohnungen - und sorgt für „Umbauarbeiten“ im Wiener Straflandesgericht.
Am 95. Verhandlungstag im Korruptionsprozess um die Affären Buwog und Terminal Tower fand eine Premieren statt: Erstmals wurde ein Zeuge via Videoschaltung im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts befragt, wodurch die Sitzordnung (zur Freude der Verteidigung, die diese seit Prozessstart stetig monieren) kurzfristig geändert wurde.Grund für den Umbau war die Befragung eines früheren Mitarbeiters der US-Investmentbank Lehman Brothers. Er war im Rahmen der Privatisierung der Bundeswohnungen für die Organisation des Verkaufsprozesses zuständig.
Der Zeuge schilderte, dass im Sommer 2003 versucht wurde, dem Land Kärnten bereits vor dem Bieterprozess einen Teil der Bundeswohnungen, die Kärntner Eisenbahnerwohnungen (ESG), anzubieten. Kärnten habe aber nicht gekauft, weil ihm der von Lehman festgesetzte Preis von 120 Millionen Euro zu teuer gewesen sei. Das Vorkaufsrecht für die ESG hatte der damalige Finanzminister, der Hauptangeklagte Karl-Heinz Grasser, zuvor mit dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider vereinbart.
Der Zeuge erklärte außerdem, dass Grassers damaliger Kabinettchef Heinrich Traumüller eine wichtige Rolle gespielt habe. Traumüller sei sehr korrekt und engagiert und in alle Bereiche der Buwog-Privatisierung eingebunden gewesen. Außerdem sei er es gewesen, der meinte, dass das Vorkaufsrecht Kärntens politisch gewollt sei - eine rechtliche Grundlage dafür gab es nicht. Traumüller ist übrigens am Donnerstag abermals in das Wiener Straflandesgericht geladen. Bei seinen bisherigen Auftritten dort hatte er stets bekundet, dass er keinerlei Anhaltspunkte dafür habe, dass die Privatisierung nicht korrekt abgelaufen ist.
Zuschlag oder zweite Runde
Zum Ablauf der Vergabe sagte der Zeuge: Die Angebote für die Bundeswohnungen seien am Freitag, dem 4. Juni 2004, beim Notar geöffnet worden. Er sei selbst dabei gewesen, ebenso Traumüller. Über das Wochenende wurden dann vom Lehman-Team und der Anwaltskanzlei Freshfields die Angebote analysiert und Präsentationen für die Sitzung am Montag, dem 7. Juni, im Finanzministerium erstellt. Bei dieser Sitzung sei auch Grasser anwesend gewesen, ein Protokoll wurde allerdings nicht angefertigt.
In der Sitzung am Montag habe es sodann zwei Optionen gegeben: Ein Zuschlag basierend auf den vorliegenden Angeboten der CA Immo und des Österreich-Konsortiums, wobei dann die CA Immo gewonnen hätte. Oder eine schnelle zweite Runde mit "Last and Final Offers", bei der die beiden Bieter neue Angebote abgeben können. Das Österreich-Konsortium hatte in der ersten Runde zwar Zusatzangebote abgegeben, aber diese waren nicht gültig, so der ehemalige Lehman-Mitarbeiter, denn sie hätten nicht den Vorgaben entsprochen. Die CA Immo hatte in ihrem Angebot ein Zinsänderungsrisiko in Abschlag gebracht. Daher habe man gesehen, dass es vielleicht noch Luft nach oben gebe, so der Zeuge.
Am 7. Juni sei nun darüber gesprochen, ob man gleich den Zuschlag erteile oder eine zweite Runde abhalte. Nach kurzer Diskussion sei für eine zweite Runde entschieden worden. Warum man die Sitzung der Auswahlkommission, die für den Tag darauf bereits angesetzt war, dann kurzfristig absagte, wusste der Zeuge nicht. Es sei aber logisch gewesen, denn die Kommission hätten ja nur noch einmal dasselbe diskutieren können, die Entscheidung war schon gefallen, meinte er. Überhaupt sei die Kommission eigentlich keine "Auswahlkommission" gewesen, denn sie hätte nichts auswählen können, sondern nur anhand der Zahlen feststellen, wer vorne lag.
In der zweiten Runde lag dann das Angebot des Österreich-Konsortiums leicht vorne. Dass die Angebote so knapp beieinander lagen, und außerdem das Österreich-Konsortium mit rund 961 Millionen Euro knapp über der Finanzierungsbestätigung der CA Immo in der ersten Runde lag, sei damals schon bei Lehman intern diskutiert worden, so der Zeuge. Man habe über ein mögliches Leak (Leck, Anm.), also eine undichte Stelle im geheimen Privatisierungsverfahren, nachgedacht, "aber das war reine Spekulation", meinte er. "Wir haben kein offensichtliches Leck gesehen."
(APA/Red.)