Eine Heirat aus Liebe war der einst mächtigsten Frau der Welt beschieden – und 40 Jahre Witwenschaft. Doch viktorianisch prüde? Weit gefehlt: Am Ende ihres Lebens sollte Königin Victoria nicht nur Andenken an ihren Gatten mit ins Grab nehmen.
Sie hatte gehofft, ihm rasch ins Jenseits nachfolgen zu können. Doch der Wunsch blieb der damals mächtigsten Frau der Welt verwehrt. „Er war für mich alles: mein Vater, mein Beschützer, mein Führer, mein Ratgeber in allen Angelegenheiten, fast möchte ich sagen, er war mir Mutter und Mann zugleich“, schrieb Königin Victoria im Dezember 1861 über ihren gerade verstorbenen Ehemann, Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, in ihr Tagebuch. Verzweiflung klingt aus den Worten der erst 42-jährigen Mutter von neun Kindern. Sie hatte nicht nur ihren „beloved Albert“ verloren, sondern auch den Vater und Erzieher ihres Nachwuchses und ihren engsten Berater in politischen Fragen.
Fast, als warte sie auf die Rückkehr ihres Mannes, dem sie im Alter von 17 Jahren in London erstmals begegnet war – ihr Onkel Herzog Ernst von Sachsen-Coburg und Gotha war mit seinen Söhnen angereist –, untersagte sie jede Veränderung in Alberts Sterbezimmer. Alles musste exakt auf seinem Platz belassen werden. Jeden Abend hatte warmes Wasser bereitgestellt zu sein, regelmäßig waren Handtücher und Bettwäsche auszuwechseln. Auch sich selbst verordnete sie optische Monotonie: Bis zu ihrem Tod trug die „Witwe von Windsor“ nur noch schwarze Kleider – und verbrachte die meiste Zeit in der Abgeschiedenheit des schottischen Schlosses Balmoral oder Osborne House im Norden der Isle of Wight, in East Cowes.