Ausbildung: "Mix aus Technik, Recht, Wirtschaft"

Die Ausbildungsangebote im Immobilienbereich sind heute viel breiter gestreut als noch vor zehn Jahren.
Die Ausbildungsangebote im Immobilienbereich sind heute viel breiter gestreut als noch vor zehn Jahren.(c) kasto - Fotolia (Matej Kastelic)
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Die Anforderungen an die Mitarbeiter in der Branche wachsen stetig. Spezialisierte akademische Angebote und firmeninterne Weiterbildungen sollen sie fit für die Zukunft machen.

Gibt man in das Berufslexikon des AMS den Begriff „Immobilien“ ein, ergibt die Suche 64 Treffer und insgesamt 1757 Berufe. Vom Immobilienhändler über den Makler, den Immobilienfondsverwalter bis zum Facility-Manager reicht die Liste der Berufe, die sich per klassischer Ausbildung, akademisch oder auf Weiterbildungswegen erlangen lassen – und ständig kommen neue dazu.

Was aber eine noch recht neue Entwicklung in Österreich ist, wie Helmut Floegl, Leiter des Zentrums für Immobilien- und Facility-Management und stellvertretender Leiter des Departments für Bauen und Umwelt an der Donau-Universität Krems, erklärt: „Die Immobilienausbildung in Österreich war traditionell durch die Gewerbe Immobilienmakler, Immobilienverwalter und Bauträger geprägt“, so der Universitätsprofessor. „Eine eigene akademische Ausbildung gab es erst Ende der 1990er. Die ersten Lehrgänge waren 1997 der Hochschullehrgang Technik und Recht im Liegenschaftsmanagement an der TU Wien, 1997 der FH-Studiengang Facility-Management in Kufstein, 1999 der Masterlehrgang Facility-Management und 2002 Real Estate an der Donau-Universität Krems.“

Neue Angebote

Seitdem veränderten sich die Anforderungen in diesem Berufsfeld allerdings rasant – und werden definitiv nicht kleiner, wie Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft (ÖVI) und dessen Immobilien-Akademie, unterstreicht: „Grundsätzlich gehört zur Immobilienwirtschaft ein Querschnitt aus Technik, Recht und Wirtschaft“, fasst er zusammen. Und selbst wenn die Expertise je nach Berufsfeld naturgemäß in einem Bereich stärker ausgebildet ist, gehören immer auch Teile der beiden anderen Felder dazu. Weshalb das Thema lebenslanges Lernen kein leeres Schlagwort, sondern echte Notwendigkeit ist. Dieser wird in der Branche Rechnung getragen, etwa durch die Weiterbildungsangebote der ÖVI-Akademie, die jährlich von rund 1500 Teilnehmern in Anspruch genommen werden.

Das aktuellste Beispiel ist die neue Raiffeisen-Immobilien-Akademie, mit der Raiffeisen Immobilien ein hauseigenes Weiterbildungsinstitut ins Leben gerufen hat, das die 270 Mitarbeiter des Unternehmens fit für die Herausforderungen der Zukunft machen soll. Mit dem dreijährigen Aus- und Weiterbildungsangebot wendet man sich sowohl an Neueinsteiger wie langjährige Mitarbeiter; die Themen reichen vom Immobilienrecht und der Liegenschaftsbewertung über Akquise-Know-how bis hin zu Verkaufstrainings, Persönlichkeitsbildung und Management-Coachings. Und das durchaus mit Nachdruck: So sind etwa für Makler sechs Ausbildungstage pro Jahr zu verpflichtenden Themen vorgeschrieben, ein weiterer Tag kann aus einer Liste fakultativer Module frei gewählt werden. „Nach der Zusammenführung der Raiffeisen-Immobilienmakler-Gesellschaften unter einer Dachmarke soll nun auch ein gemeinsames Verständnis unserer Dienstleistungen entstehen“, erklärt Nikolaus Lallitsch, Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien Steiermark und Sprecher von Raiffeisen Immobilien Österreich, den Hintergrund der neuen Weiterbildungseinrichtung.

Spezialwissen gefragt

Neben den Klassikern stehen weitere Spezialisierungen auf dem Programm, wie Holzapfel berichtet: „Bei uns sind beispielsweise die Weiterbildungen zum zertifizierten Sachverständigen sehr gefragt, außerdem die Ausbildung zum Immobilienbuchhalter, der sich durch zusätzliches Fachwissen beispielsweise im Miet- oder Steuerrecht qualifiziert“, berichtet der ÖVI-Chef. Ein weiteres Thema auf der Agenda sei demnächst eine Weiterbildung zum Thema Asset-Management, das sich im angelsächsischen Raum und in Deutschland bereits als eigenständige Management-Disziplin etabliert hat.

Grundsätzlich ergäben sich die Wissensinhalte, die durch zukünftige Aus- und Weiterbildungen in der Branche vermittelt werden müssten, aber aus den aktuellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Themen der Zeit, betont Helmut Floegl. Und sieht dabei jede Menge Tätigkeitsfelder für die Immobilienbranche der Zukunft. „Das beginnt beim Lebenszyklus der Gebäude, der bei Projektentwicklungen heute noch zu kurz kommt“, meint der Universitätsprofessor. Außerdem müsse langfristig in größeren Zusammenhängen gedacht werden, „und da sollte nicht das Gebäude, sondern das Stadtquartier die kleinste funktionale Einheit sein“.

Themen der Zukunft

Andere drängende Themen, die Floegl auf der Agenda künftiger Ausbildungen sieht, sind zukunftsfähige Energiekonzepte, eine Architektur, bei der die Nutzungs- und Betriebsaspekte in die Gebäudeplanung stärker einfließen, oder das Thema Building Information Modeling (BIM), das eine radikale Änderung der Art des Bauens und Betreibens erfordere. „Und dann natürlich die große Frage des leistbaren Wohnens. Wobei es um soziale, rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen geht – was allerdings eine zutiefst politische Frage ist, bei der die Fronten relativ starr sind.“

AKADEMISCHE LEHRGÄNGE

• Immobilienwirtschaft & Liegenschaftsmanagement: viersemestriger Lehrgang der TU Wien, der die meisten Gebiete der Immobilienwirtschaft abdeckt.
https://immo.tuwien.ac.at

• Facility-Management & Immobilienwirtschaft: Bachelorstudiengang der FH Kufstein mit Schwerpunkt praxisorientierter Kompetenzen im Bereich Immobilien und deren Management. www.fh-kufstein.ac.at/studieren/bachelor/Facility-Management-Immobilienwirtschaft-BB

• Real Estate Management: Masterlehrgang der Donauuniversität Krems, der sich an Mitarbeiter von Anwaltskanzleien und Rechtsabteilungen im Bereich Immobilien, Architekturbüros, Bauträgergesellschaften und vielem mehr richtet.

www.donau-uni.ac.at/de/studium/realestate,

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2019)

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