Die Angst vor Prüfungen besiegen

Wer auf Angst mit Erstarren reagiert, der hat in Prüfungssituationen oft ein Blackout.
Wer auf Angst mit Erstarren reagiert, der hat in Prüfungssituationen oft ein Blackout.(c) Getty Images/Andrea Obzerov
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Schweißnasse Hände, Schlafstörungen und im schlimmsten Fall ein Blackout – Prüfungsangst hat viele Gesichter. Die gute Nachricht ist: Man kann sie in Griff bekommen.

Die Situation ist so manchem gut bekannt: Kurz vor dem Test, der Schularbeit oder der Prüfung beginnen die Nerven zu flattern, das Herz schlägt schneller und die Hände werden schweißnass. „Eine leichte Aufregung ist normal", sagt Franz Oberlehner, Leiter der Psychologischen Studierendenberatung Wien. Diese kann sogar durchaus positiv sein, führt doch der höhere Adrenalinausstoß dazu, dass sich der Betreffende besser konzentriert und auf die Aufgabe fokussiert.

Doch vielfach geht die Aufregung weit darüber hinaus: Schon Tage oder Wochen vor der Prüfung setzen Schlafstörungen, Schweißausbrüche, Appetitlosigkeit oder Durchfall ein, Konzentrationsprobleme erschweren das Lernen oder man sucht Ausflüchte, um erst gar nicht damit beginnen zu müssen. Je näher der Tag X rückt, desto größer wird die Panik – im schlimmsten Fall wird der Prüfungstermin abgesagt oder es kommt zum Blackout. „Ist die Aufregung so groß, dass die Leistung eingeschränkt wird, spricht man von Prüfungsangst", sagt Oberlehner.

Angriff, Flucht oder Erstarren

Die Angst davor, das Gelernte mündlich oder schriftlich unter Beweis stellen zu müssen, ist weitverbreitet und kennt keine Altersgrenze. „Sie kann vom Volksschüler bis zum Erwachsenen alle treffen", sagt die Wiener Lebens- und Sozialberaterin Dörte Kaminiski. Wie sie sich äußert, hängt im Prinzip davon ab, welches der Stressreaktionsmuster Angriff, Flucht oder Erstarren beim Einzelnen dominiert. „Der Angriffstyp beispielsweise beginn zu schimpfen, dass die Fragen blöd sind", sagt Kaminski. Wer hingegen auf Flucht programmiert ist, hat beispielsweise Probleme, sich beim Lernen zu konzentrieren. Oder will mit dem Test möglichst rasch fertig werden. „Die Folge sind Flüchtigkeitsfehler oder Fehler, weil man sich die Angaben nicht genau durchliest", so Kaminski. Ein Blackout wiederum zeigt, dass man gleichsam erstarrt ist.

Doch das muss nicht immer so bleiben. Entspannungs-, Atem- und Meditationstechniken können Oberlehner zufolge vielfach Abhilfe schaffen. Auch Bewegung hilft, den Stress aus dem Körper zu bringen. Sind alle in der Klasse nervös, rät Kaminski dazu, zumindest in der Pause den Raum zu verlassen, um sich dem zu entziehen. „Oder man schreibt kurz auf einen Zettel, wie es einem geht", rät sie. Hat man die Gefühle und Gedanken zu Papier gebracht, sei der Kopf entlastet und frei, sich den Aufgaben zu stellen.

Blick ins Unterbewusste

Wenn das jedoch alles nichts hilft, geht es ans Eingemachte. Mit professioneller Hilfe werden dann die im Unterbewusstsein laufenden Erfolgsverhinderungsprogramme entschlüsselt. „Es gibt meist einen guten Grund für Prüfungsangst", sagt Juliane Müller, Coach in Salzburg. Sie macht sich daher in einem ersten Schritt gemeinsam auf die Suche danach. „Das kann bei Kindern beispielsweise der Wunsch sein, die Eltern nicht zu enttäuschen", sagt Müller. Auf das Enttarnen bewusster, aber auch unbewusster Glaubenssätze setzt auch Oberlehner. „Wir machen in Kleingruppen oder Einzelcoachings den Angstauslöser klar", erzählt er.

Dieser ist, so Kaminski, übrigens häufig nicht in der Schule zu suchen. „Meist handelt es sich um Erfahrungen, die die jeweilige Person unsicher gemacht haben. Das kann beispielsweise auch ein Krankenhausaufenthalt in der Kindheit sein", sagt die Lebens- und Sozialberaterin. Sie weist darauf hin, dass man häufig viele negative Gedanken und Filme im Kopf habe. Diese Negativität beeinflusst jedoch das Unterbewusstsein massiv.

Scheitern nicht ausblenden

Hat man schließlich den Angstauslöser entlarvt und sich bewusst gemacht, steht die nächste Aufgabe an: Dabei geht es darum, etwaige Glaubenssätze und Gedanken so umzuformulieren, dass sie der Realität entsprechen. Das hat jedoch nichts mit Schönfärberei zu tun: Vielmehr gehe es darum, jene Haltung und Denkweise zu verlernen, die den Betreffenden in die Situation der Prüfungsangst gebracht haben, ergänzt Müller.

Manchmal allerdings müssen sich die Angstgeplagten allerdings auch mit dem Scheitern befassen: „Für einen realistischen Bezug zur Angst kann es genauso wichtig sein, sich mit den Folgen eines etwaigen Versagens auseinanderzusetzen", sagt Oberlehner.

Auf einen Blick

Wenn die Prüfungsangst das Maß üblicher Nervosität übersteigt, helfen oft Entspannungsübungen und kleine Tricks, wie vor der Prüfung die aufgeregte Gruppe an Mitprüflingen zu meiden oder seine Ängste auf einen Zettel zu schreiben und sie so loszuwerden.

In schwereren Fällen muss – etwa mithilfe von Coaches und Lebensberatern – nach den tieferen Ursachen geforscht werden, die oft nicht im schulischen Bereich liegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2019)

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