Kriminalistik: Ein Algorithmus, der zur richtigen Spur führt

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Österreichs Tatspurenarchive sind gut gefüllt. Mithilfe künstlicher Intelligenz könnten frische Spuren nun schneller im Computersystem Eingang finden – und Ermittler bei der Verbrechensaufklärung unterstützen.

Die Jugendkrimi-Klassiker von Enid Blyton verschlang Manuel Keglevic zwar in jungen Jahren, mit „Tatort“ oder „CSI: Miami“ kann er dagegen nicht viel anfangen. „Mein kriminalistischer Eifer hält sich eher in Grenzen“, sagt der Informatiker der TU Wien. Von den Tricks der Kriminologen und Forensiker versteht er mittlerweile dennoch eine ganze Menge.

Etwa, wie Spuren von potenziellen Tätern am Ort des Verbrechens routinemäßig auf Gelatinefolie gesichert werden: Forensiker legen auf Basis der äußerlichen Merkmale des Schuhprofils in einer eigens für die Polizei entwickelten Vergleichssoftware (SchuhVT) für jeden Abdruck eine Charakteristik an. Ob Fischgrät- oder tiefes Stollenprofil, vielfältige Informationen über die Sohle finden über entsprechende Eingabefelder ins System. Doch deren Bewertung durch einen Menschen ist nie ganz objektiv, was die weitere Suche nach Ähnlichkeiten erschwert. In einem vom Technologieministerium geförderten Projekt soll deshalb ein Algorithmus trainiert werden, der automatisiert ähnliche Schuhabdrücke erkennt und mit anderen aus dem Archiv vergleicht.

BKA liefert Beispielspuren

Eine sinnvolle Unterstützung, angesichts der hierzulande rund 20.000 in SchuhVT abgespeicherten Tatspuren. Mitte April stellte der Projektpartner Cogvis, ein Wiener Softwarehersteller, dem Landeskriminalamt Salzburg ein erstes Modell der geplanten Benutzeroberfläche vor. Am Bildschirm kann der Ermittler die frische Schuhspur und die vom Rechner vorgeschlagenen Archivspuren auf einen Blick einsehen. „Er kann sie drehen, vergrößern oder überlagern“, heißt es im Projekt. Der Datenbankzugriff soll österreichweit erfolgen, ein Novum – bisher enden die Spurenarchive an den Bundeslandgrenzen.

Den Algorithmus auf Basis künstlicher neuronaler Netze trainieren die TU-Forscher mit Beispielbildern vom Tatort und solchen von Schuhsohlen. „Wir machen ihn mit ähnlichen und unähnlichen Bildern besser“, sagt Manuel Keglevic. Am Ende soll er selbst Bilder richtig deuten, die er zum ersten Mal sieht.

Material zum Einstudieren erhielt er reichlich: In einer „Schuhstraße“ hinterließen mithilfe von Spezialchemikalien und Fetten mehr als 50 Freiwillige des Bundeskriminalamts anonym Abdrücke von 300 Schuhpaaren auf Untergründen wie Papier, strukturierten Tapeten oder Holz. „Insgesamt wollen wir auf 1.000 Referenzschuhflächen kommen, um den Algorithmus robust zu machen“, sagt Keglevic. Zudem wollen die Forscher einen Schuhkatalog aus mehreren Hundert Herstellerbildern entwickeln.

Abbildungen von Schuhen und ihren Laufflächen aus dem Internet sollen automatisiert an den Arbeitsplatz der Ermittler und Forensiker gelangen. „Sie könnten die Modellmerkmale dann noch deutlicher herausarbeiten“, glaubt Keglevic. Den rechtlichen Rahmen dafür klären Profis für Urheberrecht und Datenschutz der Uni Innsbruck ab.

In Zahlen

288.414 Tatverdächtige forschte Österreichs Polizei im Vorjahr aus. Im Vergleich zu 2017 ist das ein Plus von 6,6 Prozent.

84,1 Prozent der Gewaltverbrechen konnten 2018 aufgeklärt werden. Insgesamt liegt die Aufklärungsrate bei gut 50 Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2019)

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