Keanu Reeves: „Ich mag keine Konflikte“

„Gewalttätigkeit liegt nicht in meiner Natur“, sagt der kanadische Schauspieler Keanu Reeves, der sich lieber von asiatischer Philosophie und Kunst inspiriert lässt.
„Gewalttätigkeit liegt nicht in meiner Natur“, sagt der kanadische Schauspieler Keanu Reeves, der sich lieber von asiatischer Philosophie und Kunst inspiriert lässt. (c) APA/AFP/VALERIE MACON (VALERIE MACON)
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Der kanadische Schauspieler Keanu Reeves ist in erster Linie für seine Rollen in Actionfilmen bekannt, aktuell in „John Wick“. Was bei einer persönlichen Begegnung durchaus verwundert. Ist der 54-Jährige doch durchaus besonnen, wenn nicht gar tiefenentspannt.

Dass Keanu Reeves ausgerechnet mit Actionfilmen zur Ikone wurde, ist eigentlich widersinnig. Zumindest wenn man von den Eindrücken beim Gespräch ausgeht. Denn der 54-jährige Kanadier strahlt entspanntes Zengefühl aus, höchstens durchbrochen von gelegentlicher Ironie oder Ungläubigkeit. In dieser Tiefenruhe lässt er sich auch nicht von den Fragen eines Interviews durcheinanderbringen – höchstens einmal ganz kurz, wenn es um das Thema Frauen geht, zumindest nur auf privater Ebene. Beruflich macht er da keinen großen Unterschied.

Im dritten Teil von „John Wick“ feuern Sie wieder mal aus allen erdenklichen Schusswaffen. Haben Sie das jemals in echt getan?

Keanu Reeves: Doch klar, zum ersten Mal war das bei „Point Break“ der Fall. Ich war sehr nervös, denn das war eine riesen Sache für mich.

Können Sie das näher beschreiben?

Ich habe da fünf Kugeln abgefeuert, und mir wurde klar: Wenn ich damit in eine bestimmte Richtung schieße, dann kann ich jemanden töten. Auch mich selbst. Das ist ein verdammt mächtiges Instrument. Ich hatte und habe großen Respekt davor. Im Lauf der Zeit bekam ich mehr Übung. Aber ich vergesse nie: Das ist eine Waffe.

Als Auftragskiller sind Sie weniger zimperlich. Gibt es denn Momente im realen Leben, in denen Sie auch mal so richtig ausflippen?

Klar doch. Wenn mich etwas in den Wahnsinn treibt.

Wann war das zum Beispiel?

Hmmm, wenn ich es recht bedenke, bin ich schon lang nicht mehr so richtig ausgerastet. Ich mag keine Konflikte. Solange man meine Familie in Ruhe lässt. Die würde ich verteidigen. Da würde ich ausflippen.

Wären Sie bereit, für jemanden zu sterben?

In Filmen habe ich's gemacht, aber ich gebe zu: Das ist ein Kinotod. Vielleicht wäre ich dazu imstande. Zumindest würde ich das gern von mir annehmen.

Auf jeden Fall wirken Sie nicht aggressiv, ganz im Gegensatz zu Ihren Filmfiguren. Woran liegt das?

Weil eben Gewalttätigkeit nicht in meiner Natur liegt. Ich muss hier keine besonderen Techniken praktizieren, um mich zu beruhigen. Für Filme habe ich einfach Kampfsport trainiert, und ich war immer von asiatischer Philosophie und Kunst inspiriert, bei der es immer um das innere Gleichgewicht geht.

Und was bringt Ihr inneres Gleichgewicht durcheinander? Die moderne Mediengesellschaft, die jeden ihrer Schritte verfolgt?

Nicht wirklich. Soziale Netzwerke interessieren mich nicht so richtig. Ich bleibe dem fern, diese ganze Kakofonie lasse ich nicht an mich heran.

Registrieren Sie es denn nicht, wenn Sie zu einem richtigen Medienphänomen werden? Zum Beispiel, wenn das „New York Magazine“ dem 20-jährigen Jubiläum von „Matrix“ eine Titelgeschichte widmet?

Hat es das? Wann war das? Ich freue mich nur, dass man sich 20 Jahre noch daran erinnert.

Oder wie war es, als Ihnen der Rapper Logic einen Song widmete?

Ich bin dem Mann niemals begegnet. Mit seinem Song hatte ich nichts zu tun.

Was halten Sie davon?

Es scheint ein guter Song zu sein. Eigentlich nehme ich das bloß wahr, wenn sich Freunde von mir darüber lustig machen: „Du tauchst im Kreuzworträtsel der ,New York Times‘ auf. Du bist in einem Song.“ Ich denke mir dann bloß: Oh mein Gott, ich bin im Kreuzworträtsel der ,New York Times‘. Das ist einfach nur Spaß für mich.

Zeigen Sie denselben Gleichmut, wenn Sie sich mit einer Rolle beschäftigen?

Am Anfang habe ich vielleicht schon einmal Angst. Da ragt diese Rolle vor mir auf und ich frage mich: Kann ich diese Höhen erreichen? Schaffe ich es, diese Geschichte zu erzählen? Aber sobald ich mich hineingestürzt habe, überlasse ich mich diesem ganzen Fluss und vertraue ihm.

Lernen Sie dabei sich und die Psyche anderer Menschen selbst besser kennen?

Würde ich so sagen. Natürlich kommt auch Lebenserfahrung hinzu. Aber Teil meines Jobs ist es auf jeden Fall, andere Menschen zu studieren, und so mein Ausdrucksrepertoire zu erweitern.

Abgesehen von Ihren Rollen haben Sie sicher auch Frauen studiert. Haben Sie sie auch verstanden?

Jetzt muss ich aufpassen, was ich sage. Ich will hier nicht ins Fettnäpfchen treten. Ich würde einfach sagen: Frauen sind natürlich anders als Männer, und das finde ich höchst faszinierend. Wenn du dann trotz aller Unterschiede miteinander klarkommst und deine Erfahrungen teilst, ist das die reinste Freude. Aber gleichzeitig bleiben Frauen andersartige Wesen.

Angeblich können ja Frauen Männer besser verstehen als andersrum?

Das kann gut sein – aus darwinistischer Sicht. Schließlich haben Frauen nicht die gleiche körperliche Stärke wie wir Männer. Also müssen sie uns aus Gründen des Überlebens besser analysieren können.

Haben Sie das auch in der Zusammenarbeit mit Halle Berry bei dem Film „John Wick 3“ gemerkt?

Ich kann nur sagen, dass sie eine wunderbare, warmherzige Person ist – und lustig und smart obendrein. Es machte enorm Spaß, ihr Gesellschaft zu leisten. Aber ich hatte jetzt keine tiefergreifenden Unterhaltungen mit ihr. Meistens ging es nur um die Tagesarbeit, die wir zwischen den einzelnen Einstellungen und unseren Trainingseinheiten diskutierten.

War sie Ihnen denn körperlich unterlegen?

Was soll ich sagen. Sie stürzte sich mit vollem Einsatz ins John-Wick-Training. Und das ist wirklich anspruchsvoll – es verlangt viel von dir als Person und von deiner Zeit. Sie trainierte nicht nur Kampfsport und Waffen, außerdem übte sie noch mit Hunden – denn ihre Figur hatte Hunde. Insgesamt dauerte das wohl sieben Monate. Sie war wirklich erstaunlich.

Sie haben ja auch mit verschiedensten Regisseurinnen gedreht. Was macht den Unterschied zu männlichen Filmemachern aus?

Ich weiß, ich habe hier von Unterschieden gesprochen, aber in der Arbeit vermag ich das nicht zu sagen. Für mich waren es einfach wunderbare talentierte Künstlerinnen. Ich habe nicht lang gedacht: Oh, jetzt drehe ich mit einer Frau.

Und wenn Sie jetzt überlegen? Die Klischeevorstellung ist ja, dass Frauen mütterlicher und fürsorglicher sind? War das bei den Drehs so?

Manchmal ja, manchmal nein. Denn ich kann nicht beurteilen, ob das am Geschlecht oder am Charakter der betreffenden Person lag. So gut kannte ich die Leute nun auch wieder nicht. Ich weiß auf jeden Fall, dass ich Dreharbeiten voller menschlicher Wärme hatte – mit männlichen Regisseuren, die so fürsorglich wie Eltern waren. Lange Rede, kurzer Sinn: Letztlich hat jeder seine eigene Persönlichkeit. Und ich beurteile Menschen nicht nach ihrem Geschlecht.

Steckbrief

Keanu Reeves
Der Kanadier wurde 1964 in Beirut im Libanon geboren. Er ist heute als Schauspieler, Musiker, Regisseur, Autor und Filmproduzent tätig.

Zu seinen ersten Filmen zählt „Bill & Teds verrückte Reise durch die Zeit“, der Durchbruch gelang ihm mit dem Blockbuster „Speed“. Es folgte die „Matrix“-Trilogie, „Side by Side“, „John Wick“, u.v.m.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2019)

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